- Created by Herwig Jana, last modified on 15. Jul 2022
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Video in der Lehre
Der Einsatz von Videos zum Zweck des Lehrens und Lernens ist kein neues Phänomen, sondern kann mindestens bis zur Einrichtung von Fernuniversitäten und deren Verwendung von Video im Rahmen des Fernunterrichts in den 1960er/1970er Jahren zurückverfolgt werden (Meinhard, Clames & Koch 2014: 51). Mit der Erhöhung verfügbarer Netzbandbreiten (ebd.) und der Etablierung des Webs als Mitmach-Medium (Ebner & Schön 2013) hat sich der Trend zum Lehr/Lernvideo in den letzten Jahren jedoch verstärkt.
Der einfachste und womöglich häufigste Typ von Lehrvideos, die im Hochschulkontext produziert werden, sind Mitschnitte von laufenden Lehrveranstaltung oder Vorträgen, die anschließend auf der Lernplattform zur Verfügung gestellt werden. So können die Inhalte der Veranstaltungen auch Abwesenden zugänglich gemacht werden oder Teilnehmer:innen können die Inhalte noch einmal im eigenen Tempo nachschauen. Solche Mitschnitte haben jedoch noch wenig mit Lehrvideos im eigentlichen Sinne zu tun, da sie nicht darauf ausgelegt sind als Videos und mediendidaktisch begründet produziert und eingesetzt zu werden.
Ziel ist, dass Lehrvideos die Eigenschaften von Videos und ihren didaktischen Einsatz sinnvoll kombinieren.
Lernförderliche Eigenschaften von Video
Videos bieten die Möglichkeit, Wissen in Unabhängigkeit von einer Face-to-Face-Situation zu vermitteln. Im Unterschied zu Texten bieten Videos zudem die Möglichkeit, nicht nur zu beschreiben, sondern visuelle und auditive Eindrücke aufzuzeichnen und Inhalte anschaulich zu machen. Das bietet etliche Vorteile für Lehr-/Lernprozesse (Noetel et al., 2021):
- Selbstgesteuertes Lernen:
Ein gutes Lehrvideo kann unabhängig von Ort und Zeit von den Lernenden im eigenen Tempo angeschaut werden. Die Lernenden können pausieren, um sich z.B. Notizen zu machen, und sie können einzelne Passagen erneut anhören, um ihr Verständnis zu prüfen oder um konkrete Fragen zu reflektieren. - Nachhaltige Wissensvermittlung:
Lehrvideos sind besonders gut geeignet, grundlegende bzw. wiederkehrende Wissenseinheiten einmal in gesicherter Form zugänglich zu machen. Somit bieten sie auch die Möglichkeit der Wiederverwendung, sowohl in parallelen als auch zukünftigen Lehrveranstaltungen. - Vielfältige didaktische Einsatzmöglichkeiten:
Lehrvideos sind nicht einfach ein Ersatz für Präsenzlehre. Es bieten sich vielmehr viele Möglichkeiten, Lehrvideos zum Beispiel im Kontext eines Flipped-Learning-Ansatzes einzusetzen, indem sie die Qualität der Präsenzlehre durch gute Vorbereitung verbessern. Auch für den Einsatz im klassischen Blended Learning, bei dem manche Inhalte in Präsenz und andere im Selbststudium erarbeitet werden, sind Lehrvideos hervorragend geeignet. - Aktives Lernen:
Sie können in einer Lehrveranstaltung selbst eingesetzt werden, z.B. als hochwertige Inputsequenz oder als Einstieg in eine Reflexions- und Diskussionsphase. Lehrvideos werden von Lernenden als Ergänzung und Möglichkeit der Selbststeuerung im Lernprozess geschätzt.
Lehrvideos müssen somit keineswegs als Gegenpol der Präsenzlehre verstanden werden.
Kriterien für gute Lehrvideos
Ein Video an sich wirkt noch nicht lernfördernd. Ebenso wie andere Lehr- und Lernmaterialien müssen dessen Einsatz sorgfältig geplant und die Gestaltung didaktisch begründet werden. Basierend auf den Überlegungen der Cognitive Theory of Multimedia Learning (Mayer, 2014) lassen sich folgende Empfehlungen für die Gestaltung und den Einsatz von Lehr- und Lernvideos formulieren:
- Halten Sie die Videos kurz (max. 7 Minuten).
- Reduzieren Sie die Inhalte entsprechend den Lernzielen (Constructive Alignment).
- Vermitteln Sie den Inhalt sowohl durch grafische Elemente als auch über das aufgezeichnete Audio und achten Sie darauf, dass diese übereinstimmen.
- Sprechen Sie in einem informellen authentischen Stil, um die Studierenden persönlicher zu adressieren und zu aktivieren.
- Betten Sie Videos mittels Leitfragen, interaktiven Elementen oder Aufgabenstellungen in einen Lernkontext (z.B. Moodlekurs) ein.
Möchten Sie Lehrvideos produzieren und als Offene Bildungsressource zur Verfügung stellen? Dann können Sie die Unterstützung der Medienproduktion am CTL in Anspruch nehmen. Ein vollständige Anleitung von den ersten Phasen der Videokonzeption bis zu Drehtermin und Publikation finden Sie hier.
Klassifikationen von Lehrvideos
Lehrvideos bieten die Möglichkeit zur Vermittlung von deklarativem Wissen (Erklärvideo) und prozeduralem Wissen (Tutorial). Lehr- und Lernvideos können aufgrund ihres Formats grob in vier Kategorien eingeteilt werden, wobei diese nicht trennscharf sind:
- In protagonistischen Erklärvideos steht eine oder mehrere Personen im Zentrum, welche Inhalte erklärt, beschreibt oder herzeigt.
Beispiele hierfür sind Vorträge, Präsentationen, Diskussionen, Interviews. Ein Beispiel finden Sie hier. - Gegenständliche Lehrvideos stellen einen haptischen Lerngegenstand in den Fokus und veranschaulichen unterschiedliche Abläufe oder Prozesse.
Beispiele: die Aufzeichnung von Laborübungen, Freilandexperimente, geometrisches Zeichnen, u.ä. Ein Beispiel finden Sie hier. - Screenrecordings bezeichnen Bildschirmaufnahmen, in denen z.B. die Bedienung von Software oder der Ablauf von Bildschirmvorgängen gezeigt werden (jede Webinaraufzeichnung ist im Grunde ein Screenrecording). Ein Beispiel finden Sie hier (ab 4:20).
- Mit Animationen oder Stop-Motion können abstrakte Konzepte leicht zugänglich dargestellt und erläutert werden. Ein Beispiel finden Sie hier.
Unter Lehr- und Lernvideos finden sich meist Mischformen aus den angeführten Formaten. Je nach Lernzielen und Lehr- und Lernsetting bieten sich bestimmte Arten von Lehrvideos eher an als andere. Auch Kombinationen sind möglich.
Lehrvideos erstellen
Der konkrete Aufwand für die Erstellung Ihres Videos ist abhängig von
- Ihren zeitlichen Ressourcen,
- dem zur Verfügung stehenden Equipment, sowie
- der Länge und Komplexität des geplanten Videos.
Unabhängig davon ist der erste Schritt eine Übersicht oder Konzeption von dem geplanten Vorhaben zu erstellen.
Konzeption
Bevor Sie mit der Erstellung Ihres Lernvideos beginnen, sollten Sie folgende Fragen beantworten können:
- Welche Lernziele sollen erreicht werden?
- Was sollen die Studierenden nach Bearbeitung des Videos (inkl. Aufgaben)
- wissen
- tun können
- ....
- Was sollen die Studierenden nach Bearbeitung des Videos (inkl. Aufgaben)
- Welches Format soll zum Einsatz kommen?
- Einzelvortrag mit Präsentation
- Tutorial zum Sezieren von Muscheln
- Paneldiskussion in Zoom mit 5 Teilnehmer:innen
- ...
- Welche Ressourcen sind vorhanden?
- Laptop, Webcam, Headset
- Kamera, Mikrofone, Beleuchtung, Schnittsoftware
- ...
- Wie kann ich den Umfang auf das Wesentliche reduzieren?
- interaktive Links mit h5p
- weiterführende Literaturangaben in Moodle
- ...
- Wie stelle ich die Lerninhalte dar?
- grafisches Material
- Live Whiteboard-Schreiben
- Bild-in-Bild (Spreacher mit Präsentationsfolien)
- ...
Je nach Länge und Komplexität empfehlen wir für die konkrete Vorbereitung der einzelnen Abschnitte oder Szenen des Videos eine Ablaufbeschreibung zu erstellen. Wenn Sie bereits Präsentationsmaterial haben, geht das ganz schnell und einfach mit PowerPoint: Eine kurze Anleitung, wie Sie eine bestehende Präsentation in eine Vorlage für die Planung des Videoablaufs umgestalten können, finden Sie hier.
Eine andere Möglichkeit, Ihr Video ausgehend von den Lernzielen und Inhalten zu konzipieren, bietet Ihnen die Anleitung und Vorlage Das Grobkonzept schreiben der CTL-Medienproduktion. Verfeinern können Sie diese Schritte mit der Planung des Ablaufs (siehe: Das Feinkonzept schreiben).
Produktion
Sobald ein Grobkonzept oder eventuell sogar ein Feinkonzept (im Sinne einer Ablaufbeschreibung) vorliegen, kann die Produktion in Angriff genommen werden.
Eine niederschwellige Möglichkeit für einfache Videoproduktionen bieten Ihnen die Videokonferenztools, die Ihnen die Universität Wien zur Verfügung stellt. Diese verfügen über die Möglichkeit ein Meeting aufzuzeichnen. So können Sie sowohl ein Vortragsvideo, eine Aufzeichnung Ihres Bildschirms, als auch eine Kombination aus beidem erstellen. Detaillierte Anleitungen finden Sie auf den Wiki-Seiten zu den jeweiligen Videokonferenztools (z.B. Zoom und BigBlueButton). Das benötigte Equipment umfasst ein Endgerät (bevorzugt PC oder Laptop), ein Mikrofon (integriert oder mit externem Mikro/Headset) und eine Webcam (integriert oder extern). Weitere Möglichkeiten, niederschwellig Videos für Ihre Lehre zu produzieren, z.B. auch mit dem Smartphone oder Tablet, finden Sie in folgendem Wiki-Artikel: Videos aufzeichnen.
Für die Produktion eines hochwertigen Realvideos (z.B. Interview, Exkursion, Laborvideo) benötigen Sie umfangreicheres Equipment: u.a. Kamera(s), Stativ(e), Mikrofon(e), und evtl. Beleuchtung. Es gibt hierbei auch die Möglichkeit die Medienproduktion am CTL zu nutzen, unter der Voraussetzung, dass die produzierten Videos nachhaltig in Lehrveranstaltung der Universität Wien eingesetzt und als öffentliche Bildungsressource veröffentlicht werden.
Vorhandene Lernvideos nutzen
Die Produktion von Lehrvideos bedeutet viel Aufwand. Deswegen empfiehlt sich entweder bereits vorhandene Inhalte wiederzuverwenden oder eine kurze Recherche über bereits bestehendes Material. Bei der Suche nach Videomaterial bieten folgende Quellen gute Resultate:
- iMoox.at - eine österreichische Lernplattform, auf der Sie auch viele Kurse der Universität Wien kostenfrei belegen können
oerhub.at - Open Educational Resources (OER) aus dem österreichischen Hochschulraum suchen und finden.
- OERSI - Open Educational Resources für die Hochschule: hier können Sie unter "Material" nach Videos filtern.
- Auch YouTube.com bietet viel gutes Material - bitte stellen Sie hier jedoch sicher, dass Sie die Qualität und Lizenz vor dem Einsatz geprüft haben.
Weiterführende Literatur
Brame. (2016). Effective Educational Videos: Principles and Guidelines for Maximizing Student Learning from Video Content. CBE Life Sciences Education, 15(4), es6. https://doi.org/10.1187/cbe.16-03-0125
Breen-Wenninger, Barbara/Louis, Barbara: Orientierung an Studienzielen & Constructive Alignment. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, Mai 2020. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/universitaeres-lehren-lernen/studienzielorientierung-und-constructive-alignment/]
Educasts (Lehrvideos), Teaching & Learning Academy, Wirtschaftsuniversität Wien, https://learn.wu.ac.at/open/tlac/educast, November 2019.
fnma Magazin 03/2016 - Videos in der Lehre, https://www.fnma.at/content/download/755/2729, 30. September 2016.
Kulgemeyer, C. (2018b): Wie gut erklären Erklärvideos? Ein Bewertungs-Leitfaden. In: Computer+Unterricht 109, S. 8–11.
Mayer, R. E. (2014). Cognitive theory of multimedia learning. In R. E. Mayer (Ed.), Cambridge Handbook of Multimedia Learning second edition (pp. 43-71). Cambridge: University Press.
Meinhard, David; Clames Ute & Koch, Tobias, Zwischen Trend und Didaktik – Videos in der Hochschullehre, ZFHE Jg.9 / Nr.3 (April 2014) S. 50-64, https://zfhe.at/index.php/zfhe/article/view/683 24. April 2014.
Noetel, Griffith, S., Delaney, O., Sanders, T., Parker, P., del Pozo Cruz, B., & Lonsdale, C. (2021). Video Improves Learning in Higher Education: A Systematic Review. Review of Educational Research, 91(2), 204–236. https://doi.org/10.3102/0034654321990713
Schott, Reinhard: Kompetenzorientiertes Prüfen. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, November 2017. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/pruefen-beurteilen/kompetenzorientiertes-pruefen/]
Schön, Sandra & Ebner, Martin (2013). Gute Lernvideos … so gelingen Web-Videos zum Lernen! Veröffentlicht unter CC BY NC ND.
Valentin, K. (2018). Video-Tutorials: Eine systematisierende Annäherung aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive. Medienimpulse, 56(4). https://doi.org/10.21243/mi-04-18-07
Zeitbedarf
Abhängig von Ressourcen und Anzahl von Videos
Charakterisierung
Prinzipien
- Inhalt und Gestaltung eines Lernvideos folgen den Lernzielen.
- Lernvideos müssen didaktisch kontextualisiert werden.
Ein Video ist nicht per se lernfördernd.
Gute Lehrvideos sind:
- kurz (max. 7 Minuten)
- konzentriert auf wesentliche Inhalte
- nutzen auch die visuelle Ebene
- authentisch und aktivierend
- sinnvoll in einen Lernkontext eingebettet
Anwendungsbeispiele
1. Videos als Einstieg und Diskussionsgrundlage
Am Beginn einer LV-Einheit wird ein Video gezeigt, welches in die Thematik einführt und das Vorwissen der Studierenden aktiviert. Danach können mittels eines kurzen Brainstormings in der Wordcloud Vorkenntnisse und Wissensstände erhoben werden. Anschließend können die Inhalte des Videos anhand von Leitfragen in Gruppen (Breakout Rooms) oder im Plenum diskutiert werden.
2. Videos zur asynchronen Inhalts- bzw. Wissensvermittlung
Im Zuge einer Online-Selbstlernphase (Blended Learning) stellen Sie ein Video mit interaktiven Elementen (h5p) zur Verfügung. In der nächsten Präsenzeinheit können dann die Resultate besprochen und das Wissen vertieft werden. Die Steuerung der Lernprozesse erfolgt in Moodle in Form von Leitfragen, mittels interaktiven h5p-Quizfragen direkt im Video oder als anschließende Selbstüberprüfung via Test in Moodle.
3. Studentische Videos für Flipped Classroom
Studierende bekommen die Aufgabe (zusätzlich oder anstatt eines Referats) während des Semesters ein Video über ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Fragestellung zu produzieren. Diese werden am Ende des Semesters präsentiert und zur Verfügung gestellt. Diese nachhaltigen Lernartefakte dienen als asynchroner Input sowohl für die Studierenden des aktuellen Kurses, als auch für Studierende folgender Semester.
4. Videos als Feedback
Videos eignen sich gut um asynchrones Feedback auf individuelle Aufgaben (z.B. Seminararbeit, Gruppenarbeiten) zu geben - hierbei nehmen Sie einfach sich selbst beim verbalen Feedback geben auf. Sie können weiters mittels Video auch Rückmeldungen auf gesammelte Fragen für alle Studierenden im Moodlekurs geben (Antworten auf Fragen zu Prüfung, Zwischentest, etc.).
5. Video-Analyse
Analog zu einer Textanalyse können Studierende auch beauftragt werden bestimmte Aspekte von Videos zu analysieren. Die Ergebnisse können synchron und asynchron diskutiert werden. Besonders gut eignet sich dies bei Darstellungen von haptischen Prozessen (Sportwiss. oder Labore) und Fallbeispielen (Unterrichtsanalyse).
6. Vorstellungsvideos von Studierenden
Am Beginn einer Lehrveranstaltung können Videos sehr gut zum Kennenlernen genutzt werden. Anstatt eines rein schriftlichen Forenposts wird einfach eine kurze Videobotschaft darin eingebettet. Mit Hilfe des Videobuttons im Moodle-Foreneditor können ganz einfach bis zu zwei Minuten aufgezeichnet und dann im Forum veröffentlicht werden.
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