Decount ist ein Serious Game aus dem Genre der interaktiven Simulation, das sich mit den Themen Extremismus und Radikalisierung auseinandersetzt. Entwickelt wurde es von Bloodirony Games in Zusammenarbeit mit Expert:innen aus Pädagogik und Wissenschaft sowie mehreren Beratungsstellen zum Thema Extremismus. Das Spiel erschien im Jahr 2021, richtet sich an Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren und ist gratis im Internetbrowser spielbar. Es verfolgt das Ziel, die Spielenden für Mechanismen extremistischer Propaganda und Rekrutierung zu sensibilisieren. Die Spieler:innen begleiten vier jugendliche Protagonist:innen durch alltägliche Situationen und treffen Entscheidungen für die Charaktere. Dabei gilt es, Handlungsoptionen zu wählen, durch die sich der beginnende Radikalisierungsprozess des gespielten Charakters noch abwenden lässt. Eine Besonderheit von Decount liegt in der realitätsnahen Darstellung verschiedener Ausprägungsformen von Radikalisierung und der Förderung kritischen Denkens durch interaktive Fiktion.
Decount | |
Cover | |
Entwickler | Bloodirony Games |
Publisher | „Decount“ Projektteam, finanziert durch die europäische Union |
Genre | Interaktive Simulation |
Art des Spiels | Serious Game, kostenlos, Indie |
Erscheinungsjahr | 2020 |
Altersfreigabe | ab 16 Jahren |
Thema | Radikalisierung und Extremismus |
Plattformen | Im Browser spielbar |
Sprache(n) | Deutsch, Englisch |
Spieldauer | 10-20 Minuten pro Geschichte |
Link zur Website | |
Allgemeine Spielanalyse
Die Handlung von Decount folgt vier jugendlichen Protagonist:innen - Marco, Jasmin, Jens und Franziska – die in ihrem Alltag mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert werden. Im Verlauf des Spiels müssen Entscheidungen für die Charaktere getroffen werden, die deren weitere charakterliche Entwicklung prägen. Abhängig von den getroffenen Entscheidungen können die Figuren entweder in extremistische Tendenzen abdriften oder sich bewusst von diesem Weg abwenden. Die Intention des Spiels ist es, Mechanismen extremistischer Propaganda und Rekrutierung aufzuzeigen und das kritische Denken der Spielenden zu fördern. Besonderer Fokus liegt hierbei auf der schleichenden Dynamik langsamer Radikalisierungsprozesse sowie auf den persönlichen und gesellschaftlichen Faktoren, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen können. Durch die interaktive Entscheidungsmechanik lernen die Spielenden, wie unterschiedliche Handlungsoptionen verschiedenen Konsequenzen nach sich ziehen können. Es gibt keine klassischen Sieg- oder Niederlagebedingungen - zu sehen, welche Auswirkungen die eigenen Entscheidungen auf den Verlauf der Geschichte haben, steht als Belohnung für sich. Dadurch zeichnet sich Decount durch hohen widerspielwert aus, da man bei wiederholtem Durchlauf bewusst andere Entscheidungsmöglichkeiten auswählen kann, um unterschiedliche Entwicklungen zu ‚erleben‘. Der Lernzweck liegt in der Sensibilisierung für Radikalisierungsprozesse, der Förderung der Medienkompetenz und der Stärkung der Urteilsfähigkeit im Umgang mit extremistischen Ideologien.
Decount setzt auf eine reduzierte, stilisierte Grafik, die sich an einer minimalistischen Graphic-Novel-Ästhetik orientiert. Die Charaktere und Umgebungen sind bewusst einfach gestaltet, sodass der Fokus auf den Entscheidungen und deren Konsequenzen liegt. Symbolische Elemente sind in der Spielgestaltung zentral, so verweisen etwa visuelle Codes und Zeichen auf extremistische Ideologien und deren soziale Dimensionen. Die auditive Gestaltung unterstützt die Spielatmosphäre mit meist zurückhaltender, in gewissen Schlüsselsequenzen aber auch spannungsgeladener Musik, die emotionale Momente verstärkt. Geräusche und Soundeffekte werden gezielt eingesetzt, um wichtige Situationen hervorzuheben und die Spielenden stärker in die Handlung einzubinden. Das Level-Design folgt einer interaktiven, dialogbasierten Struktur, bei der sich die Umgebung abhängig von den Entscheidungen der Spielenden verändert. Die Interaktion erfolgt, je nach Plattform, fast ausschließlich über Maus- oder Touch-Eingaben. Das Interface ist minimalistisch gestaltet und Dialogoptionen sowie Entscheidungswege werden klar und übersichtlich präsentiert. Anstelle von punktuellen Rückmeldungen zeigt das Spiel die Auswirkungen der getroffenen Entscheidungen erst im weiteren Verlauf der Handlung. Decount ist kostenlos verfügbar und kann ohne Download oder Anmeldung direkt im Browser auf nahezu jedem internetfähigen Gerät gespielt werden. Für den pädagogischen Gebrauch existiert ein Begleitheft mit Arbeitsmaterial. Das Spiel wird unter anderem auf Social-Media-Plattformen wie X und Facebook beworben und kann einfach per Link auf Messenger-Diensten geteilt werden.
Fachliche Analyse
Die Handlungsstränge, die in Decount erzählt werden, sind zwar grundsätzlich rein fiktiv, stützen sich jedoch auf enge Zusammenarbeit mit Expert:innen im Bereich des Extremismus und mit Betreuer:innen von Jugendlichen in Entradikalisierungsprogrammen. Durch diese Herangehensweise wird versucht, Mechanismen von Radikalisierung trotz des fiktiven Rahmens möglichst authentisch zu vermitteln. Decount bietet also keine historische Erzählung basierend auf wahren Begebenheiten, sondern fokussiert sich auf allgemeine Tendenzen gegenwärtiger extremistischer Phänomene. Simulations- und Narrationsanspruch stehen somit gewissermaßen im Gleichgewicht, mit leichtem Hang zur Narration. Aufgrund des überschaubaren Zeitaufwands und des niederschwelligen Zugangs erweist sich das Spiel, trotz seiner umfassenden Ausarbeitung des Themas, als äußerst einsteiger:innenfreundlich.
Decount richtet sich an eine breite Zielgruppe von Jugendlichen, unabhängig ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft. Es bedient keine spezifischen Motive einer kollektiven Identität, sondern thematisiert universelle Aspekte des Heranwachsens und der Suche nach Zugehörigkeit, die für alle Jugendlichen relevant sein dürften. Als Produkt seiner Zeit greift das Spiel aktuelle Diskurse über die Gefahren von Radikalisierung auf, die in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus von Politik und Gesellschaft gerückt sind. Es berücksichtigt den aktuellen Forschungsstand zur Prävention von Extremismus und integriert pädagogische Ansätze, um effektive Lernerfahrungen zu ermöglichen. Die Komplexität der Darstellung von Radikalisierungsprozessen wird im Spiel auf ein übersichtliches Maß reduziert, um die Mechanismen und Auswirkungen extremistischer Tendenzen für die Spielenden nachvollziehbar zu machen. Aufgrund des didaktischen Anspruchs und der spielinternen Förderung politischer Kompetenzen durch interaktive Spielmechaniken lässt sich Decount als Vertreter des Genres der Serious Games charakterisieren.
Fachdidaktische Analyse
Studentische Forschungsarbeiten
Didaktisierungen
Quellen- und Materialverweise
Ayers, Rob/Main, Brian (2020): Illustration zum pädagogischen Begleitmaterial zu Decount. In: Extremismus.Info. Online unter: https://images.squarespace-cdn.com/content/v1/5db801c980904f3781b2c72c/1582058921035-ME6GRVUHL0TFJA7KPGQY/New_decision+%282%29.jpg?format=1000w (Zugriff: 28.03.2025).
Bloodirony Games (2020): DECOUNT - das Spiel. In: Extremismus.Info. Online unter: https://www.extremismus.info/decountde (Zugriff: 28.03.2025).
Marie Jäger (2024): Gaming und islamisch begründeter Extremismus. In: Bundeszentrale für politische Bildung Deutschland. Radikalisierungsprävention Islamismus. Online unter: https://www.bpb.de/themen/infodienst/545514/gaming-und-islamisch-begruendeter-extremismus/ (Zugriff: 21.03.2025).
Jugendschutz.net: Rechtsextremismus und Gaming. In: Politischer Extremisus. Online unter: https://www.jugendschutz.net/themen/politischer-extremismus/artikel/rechtsextremismus-und-gaming (Zugriff: 21.03.2025).
