DIE CHANTEN (OSTJAKEN)
Die Chanten sind ein kleinzähliges finnougrisches Urvolk. Sie zählen als eines von zwei Völkern zu den obugrischen Völkern. Sie sind die nächsten Verwandten der Mansen und Ungarn.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Chanten von den Russen als Ostjaki" (Ostjaken) bezeichnet.
Ihr Name Chanty" (Chanten), wie sie sich selbst bezeichneten, bedeutet eigentlich Mensch".
Die Chanten zählen 28 678 Personen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die ethnische Geschichte der Chanten ist, wie Archäologen bestätigen, recht kompliziert. Die archäologischen Funde zeugen vom Vorhandensein verschiedenster ethnischer Elemente. Die nördlichen Chanten standen ab Mitte des 2. Jahrtausends unserer Zeitrechnung unter einem starken Einfluss der Rentierzuchtkultur der Nenzen. Die südlichen Chanten siedelten sich vom Mündungsgebiet des Irtysch nach Norden hin an. Bei ihnen spielte der Einfluss der südlichen Waldsteppen-Bevölkerung eine bedeutende Rolle. Einen wesentlichen Einfluss auf die südlichen Chanten übten auch die Türken und später die Russen aus. Die östlichen Chanten siedeln am Mittellauf des Ob. Diese Gruppe übernahm in größerem Umfang als die anderen die nordsibirischen Züge der Kultur, wie sie der Bevölkerung des Urals eigen ist.
Als die Kosaken Sibirien eroberten, konnten die Chanten ihnen förmliche Heere entgegenstellen. Sie hatten damals eine nationale Organisation und wohnten in regelmäßig angelegten Städten. Allein bei dem 1501 unternommenen Kriegszug zerstörten die Russen 41 dieser Plätze.
Heute sieht man noch die Reste einiger derselben im Distrikt Obdorsk. Jetzt wohnen sie in elenden Dörfern, dem Trunk ergeben und an Zahl schnell abnehmend, da die Ehen wenig fruchtbar, die Kindersterblichkeit eine sehr große ist und Hungersnot das Volk oft heimsucht.
Die russischen Kaufleute und Industriellen kannten die Chanten bereits seit dem 11. Jahrhundert. Damals gab es bei den Chanten mehrere Stämme, von denen ein jeder sein eigenes Zentrum und seinen Führer besaß. Es sei bemerkt, dass sich die Lebensweise der Chanten im 17. bis 19. Jahrhundert kaum wesentlich veränderte. Aus taktischen Gründen strebte die Regierung nicht danach, ihr gesellschaftliches Leben allseitig zu verändern. Übrigens ist die Anzahl der Chanten in den drei Jahrhunderten ihrer Existenz im Rahmen des Russischen Staates, also vom 17. bis ins 19. Jahrhundert, von 6 300 Personen bis auf 16 200 gewachsen.
Geographische Verbreitung
Die Chanten sind ein Volk in Sibirien, dessen Verbreitungskreis am untern Ob und Jenissei südlich fast bis nach Tobolsk und Tomsk, nördlich über den 65. Breitengrad hinausreicht, längs des Ob sich sogar über den 67. Breitengrad ausdehnt.
Fast 60 % der Chanten leben im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen, 30,5 % im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen. Eine kleine Anzahl der Chanten lebt im Gebiet Tomsk und in der Republik Komi.
Kultur
Das Hauptbekleidungsstück ist die Chaliza, ein weiter, sackartiger Pelz, der mit der Haarseite nach innen getragen wird. Über diesen ziehen sie im Winter einen bis an die Kniee reichenden Pelz, Parka, mit der Haarseite nach außen und in eine Kapuze endend.
Ihre sehr unsaubern Wohnungen bestehen im Norden aus einem mit Birkenrinde oder Fellen bedeckten Stangengerüst, im Süden aus vierseitigen Balkengebäuden, die äußerlich häufig einer russischen Bauernstube gleichen.
Sie leben hauptsächlich vom Fischfang und von der Jagd auf Pelztiere. Das Fleisch verzehren sie meist roh.
Ihre Werkzeuge fertigen sie noch aus Knochen und Stein, wie im Steinzeitalter.
Die Frau wird gekauft und immer als unrein angesehen, trotzdem ist ihre Behandlung bei der Sanftmut der Ostjaken keine schlechte.
Sie zerfallen in eine Menge Geschlechter oder Stämme, an deren Spitze ein Ältester steht (Starschina), der für Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen hat.
Sie sind militärfrei, entrichten aber der russischen Regierung eine Steuer (Jassok), die früher in Pelzwerk und jetzt in Geld eingefordert wird, die sie aber bei ihrer großen Armut kaum zu zahlen im stande sind, da die Ausbeute der Jagd immer schwieriger und geringer wird.
Religion
Getauft sind sie seit mehr als 100 Jahren, aber dennoch sind sie keine Anhänger des Christentums.
Die traditionelle Religion der Chanten ist der Schamanismus.
Ihre Götzenbilder werden in besondern Jurten aufbewahrt.
Folklore
Die Chanten haben eine reiche Folklore (die vor allem im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert von Antal Reguly, Serafim Patkanov, K.F. Karjalainen, Artturi Kannisto, József Pápay, Bernát Munkácsi und anderen), Sagen und Märchen, Mythische, Helden- und Schicksalslieder auch Rituale (Bärenfest mit Bärenliedern).
Kunst
Kunsthandwerk:
Meist mit geometrischen oder stilisierten Tier- und Pflanzenornamenten verzierte Gegenstände aus Leder, Holz, Stoff, Birkenrinde.
Literatur
Sprache
Die Sprache der Chanten gehört zu der finnisch-ugrischen Gruppe des ururalischen Sprachstammes.
In der chantischen Sprachen existieren drei Dialektgruppen: die nördliche, südliche und östliche. In jeder dieser Gruppe gibt es weitere Dialekte. Dieser Umstand erschwerte die Schaffung eines Schrifttums. Eine Grammatik der Sprache verfasste Castrén (2. Aufl. von Schiefner, Petersb. 1858). Ab 1940 wurde der chantischen Literatursprache ein Dialekt zugrunde gelegt, der am Mittellauf des Ob gesprochen wird. Gegenwärtig stützt sich das Schrifttum auf fünf Dialekte der chantischen Sprache.