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Die Mari


 
 
 

#Abb. 1 Flagge der Mari

Inhaltsverzeichnis


Geschichte


Die Mari wurden zum ersten Mal im 6. Jahrhundert beim Historiker Jordanes als "Sremnisc" erwähnt. Im 7. Jahrhundert gehörten sie zum Bolgarenreich. Im 13. Jahrhundert kam es zur Eroberung durch die Mongolen-Tataren. Die "Tscheremissenkriege" führten im 16. Jahrhundert zur Auswanderung nach Osten. Außerdem begann im 16. Jahrhundert die russische Kolonisation, nachdem nach dem Fall von Kasan 1552 marische Siedlungsgebiete ans russische Reich angeschlossen wurden. Danach kam es immer wieder zu Aufständen, an denen Mari teilnahmen. Im 18. Jahrhundert gab es weitere Kolonisation, die erneut zu Auswanderungen führte. Im 19. Jahrhundert entstanden erste marische Schulen sowie die marische Interlligenzia und Literatur. In den 1920er Jahren kam es zu einem massiven Wandel. Es wurden zwei Schriftsprachen anerkannt, Theater, Buchverlage usw. entstanden. Der Stalinismus änderte in den 1930er Jahren allerdings alles. Es kam zum Terror gegen Minderheitsvölker und zur Kollektivisierung. Der Großteil der marischen Intellektuellen wurde getötet. Ab den 1960er Jahren gab es eine neue Welle der Industrialisation und Kolonisation und man begann die marischen Kulturinstitutionen abzubauen.

Geographische Verbreitung


Die Mari haben eine eigene Republik, die zur russischen Föderation gehört. Die Republik Mari El befindet sich im europäischen Teil Russlands in der Wolgaregion. Allerdings sind nur etwas über 43% der Einwohner Mari. Die Republik zählt zu den ärmsten der russischen Föderation, da dort hauptsächlich Landwirtschaft betrieben wird und es so gut wie keine Großindustrie gibt. Die Hauptstadt heißt Joschkar-Ola. Ca. 52% der Mari leben außerhalb der Republik, vor allem in Baschkirien, Tatarstan und Udmurtien. Im Jahr 2002 betrug die Bevölkerungsanzahl ca. 604.000.

Kultur


Um das sprachliche und kulturelle Gut, sowie alte Traditionen, aufrechtzuerhalten, gründeten Studenten der pädagogischen Hochschule, Vertreter des Theaters von Joškar Ola und Angestellte an literaturwissenschaftlichen Instituten, 1989, eine Organisation, namens "U vij" = "Neue Kraft". Darüberhinaus veröffentlichte ein Absolvent der staatlichen marischen Universität einen Artikel in einer marischen Zeitung, mit dem Apell an das marische Volk, sich als eigenständiges Volk zu definieren, ausserdem rief er die gesellschaftliche Organisation "Marij Ušem" = "Marisches Bündnis" ins Leben. Diese Organisation existiert bis heute.

Religion

Die alte heidnische Religion der Mari ist trotz der im 17. Jahrhundert beginnenden Christianisierung durch die russisch-orthodoxe Kirche bis heute erhalten und prägt das ethnische Bewußtsein der Mari. Es gibt eine Tendenz, traditionelle Bräuche und Sitten wieder aufleben zu lassen, da die Ursprünge ihrer nationalen Kultur für die Menschen heutzutage eine große Rolle spielen. Außerdem wird versucht, diese Kultur soweit wie möglich ins heutige Leben zu integrieren.

Die Mari glauben an mehrere Götter. Der höchste Gott ist _Oš Kugu Jumo_ (weißer großer Gott). Außerdem gibt es 4 Gruppen von Göttern. Die Götter der 1. Gruppe besitzen schöpferische Kräfte z.B. Tünja Jumo (Gott des Universums). Die Götter der 2. Gruppe haben mit Naturerscheinungen zu tun z.B. _Üžara Jumo_ (Gott des Sonnenaufgangs). Die Götter der 3. Gruppe sind für den Alltag zuständig z.B. Mlanda Jumo (Gott der Erde). Die Götter der 4. Gruppe beeinflussen das Leben der Menschen nur am Rande z.B. Tütyra Jumo (Gott des Nebels).

Das Beten in heiligen Hainen gehört zum religiösen Kult der Mari sowie zur Kultur des marischen Volkes. Eine Umfrage im Jahr 1999 hat ergeben, dass über 30% der Bevölkerung der Republik Mari El für eine Wiederbelebung des heidnischen Glaubens sind.

In der Umgebung der marischen Siedlungen befinden sich Kultstätten, die sogenannten heiligen Haine oto/ küsoto. Dort werden regelmäßig Zeremonien veranstaltet, Ahnen und Naturkräfte verehrt. Früher wurden auch Opfer dargebracht oder man betete zu bestimmten Göttern, wenn es zu Naturkatastrophen oder Missernten kam. Es gab auch Zeremonien in den heiligen Hainen, die mit den Jahreszeiten oder religiösen Feiertagen zusammen hingen. Die heiligen Haine waren Bestandteil der natürlichen Umgebung der Siedlungen, wie auch Flüsse oder Friedhöfe. Um in die heiligen Haine zu gelangen, ging man durch spezielle hölzerne Tore. Lt. dem marischen Historiker Fedor Egorov hatten die prähistorischen heiligen Kultstätten drei Tore: Opfertiere wurden durch das Osttor geführt, die Betenden selbst kamen durch das Westtor. Wasser und Brennholz wurden durch das Nordtor gebracht. Während der Priester das Gebet las wurde auf einer Gusli gespielt, die als göttliches Instrument galt. Die Klänge der Gusli sollten den Betenden Kraft schenken. 

Cumbylat gilt als Oberhaupt und Beschützer der Mari. Die älteste marische Kultstätte liegt auf dem Berg Cumbylat und wird auch heute noch als Kultstätte verwendet. Cumbylat soll ein Opferpriester und Heerführer gewesen sein, der für die Verteidigung des traditionellen Glaubens und der Heimat kämpfte. Bevor er starb soll er sich unter einem Stein eingesperrt haben und lt. Volksglaube kommt er unter diesem Stein hervor und hilft seinem Volk in schweren Zeiten. Nach dem Untergang der Sowjetunion kam es zur Religionsfreiheit in den ehemaligen Sowjetrepubliken und die Mari durften nun eine religiöse Vereinigung gründen und Opfer in den heiligen Hainen darbringen. Während der marischen Nationalbewegung kam es auch zur Wiedergeburt des marischen Heidentums. Die religiöse Bewegung wurde in zwei unterschiedliche Gruppen gespalten. Einerseits gibt es das System der lokalen und regionalen heidnischen Gemeinden mit ihren Opferpriestern. Andererseits kam es zu einer verstärkten Missionstätigkeit der russisch-orthodoxen Kirche um der heidnischen Bewegung entgegen zu wirken. Die russisch-orthodoxe Kirche errichtete ihre 100. Eparchie in der Hauptstadt Joškar-Ola.

Es gibt mittlerweile immer mehr gläubige Mari. Ehemalige Kultstätten wurden wiederaufgebaut und es wird öffentlich nach alter Tradition gebetet. Außerdem sind die Mari tolerant gegenüber anderen Religionen und es besteht zur Zeit keine religiöse Konfliktsituation, obwohl die orthodoxe Kirche den heidnischen Glauben nicht akzeptieren möchte. Der alte heidnische Volksglaube ist wichtig für die ethnische Identität der Mari und wurde auch zu der Zeit heimlich ausgeübt, als er offiziell verboten war. Nach dem Fall der Sowjetunion wurde das " Allmarische religiöse Zentrum" gegründet und man konnte wieder offiziell zusammen beten. Heute werden auch Wallfahrten veranstaltet, wobei das wichtigste Anliegen der Gläubigen die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ist. Es wird gebetet und Teile des Opfers werden dem Geist des Feuers ausgehändigt, der die Bitten der Menschen an den Gott weiterleiten soll.

Die heiligen Haine sind wichtige Natur- und Kulturdenkmäler, weshalb sie in den Dörfern sehr geachtet und geschätzt werden. Lt. Volksglaube leben in den Bäumen Götter. Daher gibt es einige Verbote. In den heiligen küsoto darf man nicht fluchen, lachen, pfeifen, lügen usw. Außerdem dürfen die Bäume nicht gefällt werden, da sie magische Kräfte besitzen sollen.

Es gibt einige Zeremonien in der marischen Kultur, die mit dem Ackerbau zusammenhängen, da der Ackerbau die Basis der marischen Wirtschaft ist. Die Zeremonien sollen für eine gute Ernte sorgen. Jeden Frühling wird das Pflugfest veranstaltet, wobei die Dorfbewohner und ein Priester zusammenkommen. Es wird gebetet, Gaben z.B. Brot oder Eier werden mitgebracht und nach dem Gebet wird gemeinsam gegessen.

Folklore
Kunst

Von 2000-2001 fand in einigen finnischen Städten die Kunstausstellung "Ugriculture-2000" statt, an der neben anderen finnougrischen Künstlern auch marische Künstler beteiligt waren. In dieser Ausstellung ging es vorrangig um die alte Mythologie in der Kunst, die nationalen Identitäten und darum, wie die jeweiligen Kulturen in der Kunst interpretiert werden. Die Werke der marischen Künstler wurden sowohl von der Klassik als auch von der heidnischen Romantik und traditionellen Folklore beeinflusst. Einer der Höhepunkte der Ausstellung war das Bild "Zur Hochzeit", das vom marischen Maler und Graphiker Jurij Tanygin gemalt wurde. In seinen Werken spielen die ethnischen Wurzeln und die Geschichte, aber auch die Gegenwart des marischen Volkes eine wichtige Rolle. Das Bild "Zur Hochzeit" wird von einem großen roten Vogel dominiert, der allerdings nicht fliegt, sondern auf dem Boden geht. Die Farben des Bildes sind sehr kräftig. Außerdem befinden sich auf dem Boden mehrere kleine Frauengestalten, die die typischen Kopfbedeckungen der verheirateten marischen Frauen tragen.

#Abb. 2 "Zur Hochzeit" von Jurij Tanygin




Literatur

Seit dem Ende der Sowjetunion werden historische Themen in der Literatur behandelt und analysiert. Man beschäftigte sich aber nicht nur mit Ereignissen aus der Sowjetzeit, sondern auch mit früheren, vor allem mit solchen die für die nationale Identität wichtig waren. Für die Mari spielte besonders das 16. Jahrhundert eine wichtige Rolle, als nach dem Fall von Kasan marische Siedlungsgebiete ans russische Reich angegliedert wurden. Die damaligen Ereignisse wurden in der marischen Literatur und Folklore verarbeitet. Verschiedene marische Gruppen kämpften damals auf verschiedenen Seiten, weshalb es unterschiedliche Darstellungen der Autoren gibt. Bei einigen wird die Angliederung ans russische Reich als "freiwillig" beschrieben, bei anderen als "erzwungen".

Es wurde allerdings nicht nur Prosa über historische Ereignisse geschrieben, sondern auch einige Theaterstücke. A. Moisio stellte einige marische Theaterstücke, die sich mit historischen Themen befassen zusammen und übersetzte sie ins Finnische. Die handelnden Personen in den Theaterstücken vertreten ihre eigene Ansicht zu Fragen wie z.B.: ob man auf Seiten der Russen oder Tataren kämpfen soll oder ob man am Aufstand teilnehmen soll oder nicht. Außerdem gibt es in fast allen Theaterstücken auch eine Liebesgeschichte, wobei es oft vorkommt, dass die Geliebte einen anderen heiraten soll. In die Theaterstücke werden häufig marische Lieder und Tänze eingebaut.

Einer der wichtigsten Vertreter der modernen marischen Literatur ist Valentin Kolumb (1935-1974). Er schrieb mehrere Gedichte und Lieder, die sich mit der Natur und der marischen Kultur beschäftigen.

Sprache


  • Es gibt 2 Standardsprachen:
  1. West-/ Bergmarisch
  2. Ost-/ Wiesenmarisch
  • Hauptdialekte:
  1. Westdialekte: Berg-Wald-Dialekte, Lipscha-Dialekt, Nordwestdialekt
  2. Joschkar-Ola-Dialekt: Dieser Dialekt ist ein Übergangsdialekt.
  3. Ostdialekte: Wiesendialekte, Wjatka-Ufa-Dialekte

Der Großteil der Mari (bis zu 95%) spricht die östlichen (Wiesen-) Dialekte.

Quellen


(1)

Helimski, E., Kahrs, U., Schötschel, M. 2005: Mari und Mordwinen im heutigen Rußland: Sprache, Kultur, Identität: Harrassowitz Verlag Wiesbaden in Kommission

(2)

Kahrs, U., Schötschel, M. 2011: Literatursoziologische Entwicklungen bei Wolgafinnen und Permiern (1985-2008): Verlag Dr. Kovac GmbH Hamburg

(3)

Kahrs, U. 2008: Der Lebenszyklus bei den wolgafinnischen und permischen Völkern: Kontextfelder, Konzepte und Identität: Harrassowitz Verlag Wiesbaden in Kommission

(4)

Laakso, J.: Vorlesungsfolien SS 2011: Kulturen der uralischen Völker

(5)

FennoUgria: Maris: Zugriff am 28.12.2011 http://www.fennougria.ee/index.php?id=11213

(6)

Ugriculture: Zugriff am 13.12.2011 http://www.gallen-kallela.fi/ugri/

Abb. 1

http://www.fennougria.ee/index.php?id=11213

Abb. 2

http://www.gallen-kallela.fi/ugri/tanygin.html

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