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DIE WOTEN



Die Woten nennen sich selbst vadjalain, vaddalain, vadajakko (ein Wote) oder maavätchi (das Volk der Woten), ihre Sprache nennen sie vadyaa cheeli, maacheeli.
Man sagt, dass das Wort vadja vom frühen ostseefinnischen Wort vakja kommt, was soviel wie Pfahl, Keil bedeutet und vakja wiederum ist ein baltisches Lehnwort. Weiters wird eine Verbindung mit Vaiga, einem Landkreis im Osten des historischen Estlands, vermutet.
Jaroslaw der Weise, Herrscher von Nowgorod im 11. Jahrhundert, erwähnte die Woten zum ersten Mal in einer schriftlichen Order. In russischen Quellen wurden die Woten oft chud genannt, hierbei handelte es sich allerdings um eine Sammelbezeichnung für mehrere finno-ugrische Völker.
Im historischen Livland wurde der gesamte nordwestliche Teil Novgorods als Watland bezeichnet, alle dort beheimateten Völker wurden Woten genannt. Der Name Watland gelang in den Westen, wo im 12. oder 13. Jahrhundert in römisch-katholischen Schriften der Ausdruck pagani Watlandieae zu finden ist. Weiters wurden die Woten von Papst Alexander III, in einem päpstlichen Erlass an den Bischof von Uppsala, und von Papst Gregor IX, an den Erzbischof von Uppsala und den Bischof von Linköping, erwähnt. Die Woten wurden in schriftlichen Aufzeichnungen ausschließlich in Zusammenhang mit Interessen fremder Mächte in wotischen Gebieten erwähnt. (1) (2)

#Abb. 1 Flagge der Woten

Inhaltsverzeichnis



Geschichte


Obwohl die Daten aus Volkszählungen der Sowjetunion sehr ungenau und nicht verlässlich sind, ist es unschwer zu erkennen, dass die Bevölkerungszahl der Woten rapide und unabdingbar bereits seit dem Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert stetig schwindet. (1)

Jahr

Bevölkerung (5)

1848

5 148

1917

~ 1 000

1926

705

1942

~ 400

1947

~ 100

1982

66

1989

62

2002

73

Das Volk der Woten war nie ein sehr personenreiches Volk, trotzdem überlebten sie Kriege, Hungersnöte, die Pest und Assimilation (Estnifizierung sowie Russifizierung). Der große Wendepunkt dürfte in der Mitte des 19. Jahrhunderts stattgefunden haben. Es ist bemerkenswert, dass während die Zahlen der Karelier, Ischoren und Wepsen deutlich anstiegen, sich die Zahl der Woten auf weniger als ein Fünftel verminderte. In den 1980er- Jahren stellte H. H. Bartens fest, dass alle Woten bereits über 60 Jahre alt sind und das Aussterben der Sprache und des Volkes umittelbar bevor stünde. Von 1939 bis 2002 wurden die Woten in keiner Volkszählung erfasst, die Zahlen aus den Jahren dazwischen stammen aus Schätzungen und Zählungen einzelner Forscher. (1) (2) (5)

Die Woten sind das älteste Volk Ingermanlands, das schriftlichen Aufzeichnungen erwähnt wurde. Sie entstanden im ersten Jahrtausend aus den Nordesten, welche am östlichen Ufer des Flusses Narva und des Sees Peipsi blieben. Sie hielten die Kontakte mit den Völkern Ost- und Nordostestlands aufrecht. Die verkleichsweise kleinen wotischen Stämme bildeten nie einen gemeinsamen Staat oder eine administrative Einheit. Ihre Länder befanden sich nahe großer Handesstraßen von Ost nach West. Die ältesten archäologischen Funde stammen aus dem 4. – 7. Jahrhundert vom Ischorischen Plateau, zwischen den Städten Kingissepp und Gachina. (1) (2)
In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends erreichten Ostslawische Stämme die wotischen Gebiete. Die Gründung Nowgorods, ein einflussreicher russischer Staat des Mittelalters, bot eine Stütze für fremde Mächte und forderte Tribute von den Woten. Im Jahr 1069 versuchten die Woten sich von den Tributen zu befreien und attackierten gemeinsam mit den Truppen des Prinzen von Polazk Nowgorod und wurden besiegt. Später, als die Macht des Staates Nowgorod größer wurde, wurde auch die Abhängigkeit der Woten von diesem größer. Obwohl die Sprache in Nowgorods Volksversammlung zuerst chud war, wurde später mehr und mehr das Rissische propagiert. Im Jahr 1149 beteiligten sich die Woten am einem Feldzug Nowgorods gegen das Volk der Häme in Finnland und eventuell nahmen sie auch an weiteren Feldzügen gegen die Schweden und die Teutonen teil. Ab 1270 waren die Woten und Ischoren fester Bestandteil der Nowgorod-Streitkräfte. (1) (2)
Es gab allerdings auch noch andere fremde Mächte, die Ingermanland für sich beanspruchen wollten. Lange Zeit waren die Russen in einem bewaffneten Koflikt mit den Schweden, welcher erst mit dem Vertrag von Pähkinäsaari 1323 beigelegt werden konnte, welcher die Terretorien beider Mächte festlegte. Im Jahr 1240 gründeten die Deutschen die Festung Kaprio, allerdings konnten sie nicht in Ingermanland Fuß fassen. Diejenigen, die litten und von den Ambitionen der fremden Nächte überrolt wurden, waren die lokalen Völker. Als Nowgorod 1241 Kaprio einnahm, wurden Woten und Tschuden erhängt, weil sie verdächtigt wurden, mit den Deutsch zusammen gearbeitet zu haben. In den 1440er-Jahren deportierte Ritter Heidenreich Vinke von Overberg wotische Kriegsgefangene nach Kurland, wo sie Kreeviš (Russen) genannt wurden. (1) (2)
Schritt für Schritt fanden sich die Woten mit der Vormachtstellung Nowgorods in ihren Gebieten ab. Russisch bahnte sich seinen Weg erst zu den wotischen Adeligen, später zu allen bedeutenden Personen, die Verbreitung der Russischen sprache hatte begonnen. (1)
Im Jahr 1478 zerstörte das Großfürstentum Moskau Nowgorod. Das eroberte Gebiet wurde in fünf Teile gegliedert, von denen der nördliche Wotisches Fünftel genannt wurde. In den Jahren 1484 und 1488 wurde eine große Zahl an Woten nach Zentralrussland deportiert und stattdessen wurden russische Kolonisten dort angesiedelt. Zur gleichen zeit wurde der orthodoxe Glaube sehr start forciert und propagiert. Für die Woten bedeutete das die Akzeptanz der griechisch-orthodoxen Kirche. Trotzdem beklagten die Erzbischöfe von Nowgorod im späten 16. Jahrhundert, dass die Woten unerbittliche Heiden waren. Zur selben Zeit wurden wotische Vornamen durch christliche, russische Vornamen ersetzt.
Im Rahmen des Friedensvertrages von Stolbovo im Jahr 1617 wurde Ingermanland zu Schweden annektiert. Auch die Schweden nutzten die Religion, luteranischen Glauben, um die neuen Gebiete enger an ihr Land zu binden. Ein Teil der Woten konnte aber über die östliche Grenze nach Russland fliehen. Leere Gebiete wurden mit Bauern aus Südostfinnland bevölkert. (1) (2) (4)
Nach dem Großen Nordischen Krieg 1721 wurde Ingermanland wieder ein Teil Russlands. Als St. Petersburg als neue Hauptstadt gegründet wurde, wurden auch viele Arbeitskräfte benötigt. Dies bedeutete den Zuzug tausender russischer Menschen in die Umgebung die Verschmelzung vieler Völker in einer russischen Umgebung. Ein Teil Ingermanlands, Jõgõperä, wurde auch als Besitztümer für Günstlinge gewidmet. (1) (2)
Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Woten russische Lieder und Kleidungsstile zu bevorzugen, die Bewegungsfreiheit begünstigte die Verbreitung der russischen Sprache und schulisches und kulturelles Leben erhöhten den Status des Russischen noch zusätzlich. Der maßgeblichste Faktor allerdings war die orthodoxe Kirche, welche die Menschen eines Glaubens vereinte und ihre Lebensweisen und Gewohnheiten beeinflusste. Die Sprache blieb das einzige letzte Bollwerk – bis die Woten sie überwanden. In den 1920er- Jahren war es bereits schwierig einen Woten von einem Russen zu unterscheiden, in den 1930er-Jahren wurde der Punkt erreich, an dem junge Woten nicht mehr Wotisch sprachen konnten. (1) (2)
Das Sowjet-Regime veränderte das gesamte Leben der Woten. Die fleißigsten Bauern wurden deportiert um andere Bauern zu zwingen ihren Besitz aufzugeben und sich in Kolchosen zusammenzuschließen. Physische Gewalt wurde mit sozialer Ungerechtigkeit (Privilegien für Arbeiter in der Stadt), religiöser und nationalistischer Verfolgung verbunden. Um Proteste zu unterbinden wurden viele Menschen als „Volksfeinde“ deklariert und so konnten Woten beispielsweise deportiert werden, wenn sie sich nicht als Russen eintragen lassen wollten. (1) (2)
Im Zweiten Weltkrieg war Ingermanland ein Kriegsschauplatz. Als sich die Deutschen zurückzogen wurden einige Ostseefinnen, unter ihnen die meisten Woten, als Flüchtlinge nach Finnland gebracht. Nach der Waffenruhe mit Finnland beanspruchten die Sowjets sie für sich. Die russischen Beauftragten versuchten sie zuerst zur Heimkehr zu überreden, zwang sie später aber später zur Rückkehr in die Sowjetunion. Einige Woten konnten nach Schweden oder Estland fliehen, die Heimkehrer wurden in der gesamten Sowjetunion bis nach Zentralasien verstreut.
Nach Stalins Tod wurden einige Petitionen nach Moskau gesendet und seit 1956 durften einige Woten in ihre alte Heimat zurückkehren. Ihre Häuser wurden längst von Fremden besetzt und bewohnt. Die meisten Russen, die jetzt in den historischen wotischen Siedlungen leben wissen nicht einmal wer die Woten sind oder wo sie leben. (1) (2) (4)

Geographische Verbreitung



Das histroische Watland befand sich im westlichen und nördlichen Ingermanland. Etwa im Jahr 1200 verbreiteten sich die Woten vom Fluss Narva im Westen bis zum Fluss Ischora im Osten und vom Finnischen Meerbusen im Norden zur neute bestehenden Stadt Gdow im Süden. Im Jahr 1848 wurden 37 wotische Siedlungen aufgezeichnet, im Jahr 1942 nur noch 23.
Heute bestehen noch fünf Siedlungen in der Region um die Stadt Kingissepp in der Oblast Leningrad: Kukkusi, Rajo, Jõgõperä, Liivchülä und Luuditsa. Manche der letzen Woten verbringen nur die Sommer in ihren Heimatdörfern und verbringen die Winter in der Stadt. (1)

#Abb. 2 Karte der Verbreitungsgebiete der Woten

Kultur


Text

Religion

Text

Folklore

Text

Kunst

Text

Literatur

Die Woten hatten niemals eine geschriebene Sprache, Schulsprache oder Literatur. In den 1930er-Jahren waren die Woten die einzige Minderheit in Nordwestrussland, für die keine Schriftsprache kreiert wurde. Die Bestrebungen des wotischen Intellektuellen Dimitri Tsvetkov waren ebenfalls nicht erfolgreich. (1) (2)

Wotische Grammatiken wurden von A. Ahlquist im Jahr 1856 und von P. Ariste in den Jahren 1948 und 1968 veröffentlicht. Sammlungen wotischer Texte wurden vor allem von L. Kettunen, L. Posti, J. Mägiste, O. A. Mustonen, E. Adler vor allem von P. Ariste gesammelt. Ein Wörterbuch des Kukkusi-Dialektes wurde von L. Posti und S. Suhonen im Jahr 1960 veröffentlicht, der erste Band eines akademischen Wotisch-Wörterbuches wurde 1990 in Tallin veröffentlicht. (1)

Auf Wotisch sind im Jahr 2003 und 2004 zwei Märchenbücher erschienen. Sie sind jeweils auf zwei Sprachen (Wotisch und Russisch) und mit Lateinbuchstaben und Sonderzeichen geschrieben. Das erste Buch enthält zehn Märchen und das zweite Buch enthält vierzehn Märchen aus den Sammlungen von P. Ariste und J. Mägiste. Trotz dieser beiden Bücher muss man sagen, dass eine wotische Literatur im eigentlichen Sinne nicht existiert. (5)

Sprache


Wotisch gehört zum ostseefinnischen Zweig der finno-ugrischen Sprachen und ist am nähesten mit dem Estnischen verwandt. Manche forscher meinen, dass das Wotische sogar ein Dialekt des Estnsichen mit Einflüssen des ingrischen sein könnte. Es können einige Dialekte unterschieden werden: Westwotisch und Ostworisch (Hauptdialekte), Kukkusi-Wotisch und Krewinisch. Westwotisch ist hierbei der einzige noch gesprochene Dialekt. Krewinisch wurde in Lettland gesprochen und ist bereits in der Mitte des 19. Jahrhundert ausgestorben, Ostwotisch starb in den 1960er-Jahren aus und auch die letzten sprecher des Kukkusi-Wotischen sind bereits gestorben. (1) (2) (5) (6)

Sprachkontakte mit Nachbarvölkern waren möglicherweise Faktoren, die der wotischen Sprache zu überleben halfen. Komplett in der russischen Machtsphere absorbiert zu sein, hätte kompletten Bilingualismus und in weiterer Folge auch totale Assimilierung der Woten bedeutet. Multilingualismus war charakteristisch für die Woten. Sie sprachen nicht nur Wotisch, sondern konnten sich auch in den verwandten Sprachen (Ischorisch, Finnisch, Estnisch) verständigen und verstanden Russisch und teilweise auch Kirchenslawisch. (1)

Obwohl die meisten Vokabel der Sprache aus dem Ostseefinnischen und Russischen stammt, haben sich viele ursprüngliche Vokabel in allen Lebensbereichen erhalten. (1) (3)

Seit 1994 gibt es in St. Petersburg Wotischsprachkurse unter dem Linguisten Musimov, in Krakole beginnt man an der Mittelschule Wotischkurse abzuhalten, ebenso sind im Internet kleine Wotischkurse zu finden. Die Gesamtsituation ist aber als sehr schlecht zu beschreiben. (5)

Im Jahr 2005 wurde in St. Petersburg der Wotische Kulturverein _Obšestvo Wodskoj Kultury_ gegründet, welcher das Ziel hat die wotische Kultur zu erhalten und zu erforschen. (5)

Quellen


(1)

The Red Book of the Peoples of the Russian Empire: The Votes: Zugriff am 05.12.2011, http://www.eki.ee/books/redbook/votes.shtml

(2)

Stimme Russlands: Die Woten: Zugriff am 05.12.2011, http://german.ruvr.ru/radio_broadcast/17350884/30428485.html

(3)

Sprachen und Völker der Erde: Ostseefinnen: Zugriff am 05.12.2011, http://www.langwhich.com/lexikon/sprachen-und-voelker-der-erde/ostseefinnen

(4)

SURI: Votes: Zugriff am 05.12.2011, http://www.suri.ee/eup/beyond.html#votes

(5)

Schwarz, C. 2009. Die ostseefinnischen Minderheitssprachen in Russland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Dissertation, Universität Wien.

(6)

Sinor, D. (ed.). 1988. Handbook of Oriental Studies: The Uralic languages: description, history and foreign influences. Leiden: Brill.

Abb. 1

Zugriff am 05.12.2011, http://www.flaggenlexikon.de/fwepsien.htm

Abb. 2

Schönol, V. 2011.

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