DIE WEPSEN
Die Wepsen nennen sich selbst vepslaine, bepslaane, lüdinik oder lüdilaine. Jordanes, ein Gelehrter des 6. Jahrhunderts, bezeichnete die Wepsen in seinem Werk De origine actibusque Getarum, kurz Getica, als vasina. Nestor, ein Mönch des 11. Jahrhunderts, beschrieb sie in seinem Werk Nestorova letopis (Nestorchronik), der ältesten erhaltenen ostslawischen Chronik, als vas. Diese beiden Namen beziehen sich wahrscheinlich auf Vainy, einen Ort am Fluss Svir.
In russischen Quellen wurden die Wepsen oft chud genannt, hierbei handelte es sich allerdings um eine Sammelbezeichnung für mehrere finno-ugrische Völker. In Anlehnung an diese Bezeichnung stehen die Wörter chukhars oder chuknas auch im heutigen Russisch als abschätzende Bezeichnung für das Volk der Wepsen.
#Abb. 1 Flagge der Wepsen
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Obwohl die Daten aus Volkszählungen der Sowjetunion sehr ungenau und nicht verlässlich sind, ist es unschwer zu erkennen, dass die Bevölkerungszahl der Wepsen rapide und unabdingbar schwindet.
1897: etwa 26 000 Menschen
1926: etwa 33 000 Menschen
1939: etwa 32 000 Menschen
1959: etwa 16 000 Menschen
1979: etwa 8 000 Menschen
1989: etwa 12 000 Menschen
2002: etwa 8 000 Menschen
Der extreme Bevölkerungsschwund nach den 1930ern ist auf den Stalinistischen Terror zurückzuführen, der erneute sprunghafte Schwund nach den 1950er auf den Druck seitens der Behörden, sich bei Volkszählungen als Russe einzutragen. Im Jahr 2002 ist der Bevölkerungsstand wieder etwa auf den von 1979 zurückgefallen, was sich damit erklären lässt, dass die Anzahl der Wepsen in den ländlichen Gebieten wieder stark zurück gegangen ist. Diese Zahlen sind alarmierend, da sich zeigt, dass sich trotz der getroffenen Maßnahmen, wie Sprachunterricht und Anhebung des Status der Wepsen im Allgemeinen, scheinbar wenig am Rückgang der Bevölkerungszahlen der Wepsen ändert.
Woher die Wepsen ursprünglich gekommen sind, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Vermutlich haben sie sich von den anderen ostseefinnischen Völkern abgesondert und sich zum Ende des 1. Jahrtausends am Ladogasee angesiedelt. Sie waren eines der bedeutendsten finno-ugrischen Völker und beherrschten die wichtigsten Handeswege, bis die wepsischen Gebiete im Jahr 1485 zum Großfürstentum Moskau, einem russischen Teilstaat, der durch seine Vormachtstellung in der nordöstlichen Rus und durch stetigen politischen und geographischen Machtzuwachs zur Keimzelle des Russischen Reiches wurde, annektiert wurden. Die weitere Besiedelung Richtung Norden durch die Russen führte dazu, dass die wepsischen Gebiete auf ein Minimum schrumpften. Weiters formten russische Kolonien einen Keil im Gebiet des Flusses Svir und trennten so die Nordwepsen von den Mittelwepsen. Das Eindringen der Russen in die Gebiete um die Zuflüsse zum Fluss Svir trennte die Nordwepsen auch von ihrem Nachbarvolk, den Lüden, welche zum Volk der Karelier gehören.
Andere Faktoren, die die Dezimierung der Wepsen beschleunigten, waren die erhebliche Zerstörung der Umwelt durch immenses Abholzen von Bäumen am Fluss Oyat, massive ideologische Beeinflussung zugunsten der orthodoxen Religion, Unterricht ausschließlich in russischer Sprache und die Nähe zu Sankt Petersburg, dem Zentrum“ des Reiches.
Der schwerste Schlag wurde dem Volk aber vom sowjetischen Regime versetzt. Nachdem das 20. Jahrhundert sogar relativ vielversprechend begonnen hatte und es ein nationalen Erwachens“ gab, hielt diese Periode jedoch nicht lange an. Denn bereits 1937 begann die von Josef Stalin veranlasste Zeit des großen Terrors“, welche alle Minderheiten der Sowjetunion gewaltsam unterdrückte und somit auch die Wepsen betraf. Alle nationalen kulturellen Aktivitäten wurden gestoppt, die Assimilation wurde vorangetrieben und wepsischen politischen Bezirke wurden aufgelöst. Durch die Zerstörung jeglicher Infrastruktur, wie Arbeit, Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgung und die Anbindung an Straßen, wurden viele wepsische Dörfer ausgerottet und Menschen vertrieben.
Während des 2. Weltkrieges, dem Fortsetzungskrieg, besetzten die Finnen die Gebiete der Nordwepsen und Wepsen konnten als Freiwillige in die finnische Armee eintreten. Nach dem Rückzug der finnischen Truppen aus den nordwepsischen Gebieten bestraften die russischen Machthaber alle, die beschuldigt wurden, mit den Finnen kooperiert zu haben.
Nach dem Krieg zogen viele junge Wepsen in die Städte und integrierten sich im neuen russischen Umfeld, sowohl die Kultur als auch die Sprache betreffend.
Somit gab es in wepsischen Dörfern kaum junge Menschen und das Durchschnittsalter betrug mehr als 40 Jahre. Gezielte Umsiedelungen von Menschen aus anderen Teilen Russlands in die wepsischen Gebiete trug außerdem dazu bei, dass der Prozentsatz an Wepsen in den nordwepsischen Gebieten auf 50% oder sogar weniger sank. Zwar wurde im Jahr 1994 ein eigener Amtsbezirk für die Wepsen geschaffen, aber alle Versuche eine gemeinsame administrative Einheit für alle wepsischen Siedlungen zu schaffen, scheiterten bisher am Widerstand der Russen.
Geographische Verbreitung
Der heute Lebensraum der Wepsen befindet sich in Nordwestrussland zwischen den Seen Ladoga, Onega und dem Weißen See, wo sich das Volk in drei Hauptgruppen aufteilt. Die Nordwepsen leben in der karelischen Republik in der Nähe des Onegasees, südlich von Petrosawodsk, der Hauptstadt Kareliens. Die Mittelwepsen, die bevölkerungsreichste Gruppe, sind im Kreis Sankt Petersburg am Fluss Oyat beheimatet. Die Südwepsen leben sowohl östlich des Kreises Sankt Petersburg als auch am nordwestlichen Ende der Provinz Wologda. Die Wohngebiete der Wepsen waren auf die Gouvernements Olonetz und Novgorod aufgeteilt
Die Mittel- und Südwepsen stehen manchmal, wenn auch selten, in Kontakt miteinander, während die Nordwepsen sowohl durch den Fluss Svir, als auch durch russische Ansiedlungen, von den anderen Gruppen getrennt sind.
#Abb. 2 Karte der Verbreitungsgebiete der Wepsen
Kultur
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Religion
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Folklore
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Kunst
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Literatur
Das erste wepsische Buch wurde 1932 veröffentlich und war ein Lesebuch, insgesamt wurden etwa 30 Bücher in wepsischer Sprache gedruckt. Vor allem handelte es sich um Bücher für den Schulunterricht. Bis zu den 1980ern geschah in der wepsischen Literatur dann nicht viel. Es gab lediglich ein wepsisches Wörterbuch von Zaitseva und Mullonen und eine wepsische Grammatik in russischer Sprach, die ebenfalls von Zaitseva verfasst wurde.1991 wurde dann das Alphabet für das Wepsische von Zaitseva und Mullonen herausgegeben.
In den 1990ern ist die wepsischsprachige Literatur dann erstarkt. Sie besteht hauptsächlich aus Gedichten, Kinderbüchern und Kurzgeschichten. Bedeutende Autoren sind zum Beispiel Nikolai Abramov, der 1994 die Gedichtsammlung 33. Koumekümne koume herausgab und auch in der Redaktion der Zeitung Kodima beschäftigt ist. Rurik Lonin, der im Jahr 2000 die Sammlung Minun rahvan fol’klor, welche Gedichte, Märchen und Erzählungen enthält, herausgab. Nina Zaitseva, die einige Kinderbücher schrieb und im Jahr 2003 auch das Buch Kodimaa, Vepsämaa herausgab, welches Gedichte von verschiedenen Schriftstellern enthält. Igor Brodski, der im Jahr 2002 den ersten wepsischen Roman publizierte, welcher den Namen Kalarand trägt.
Sprache
Wepsisch gehört zum ostseefinnischen Zweig der finno-ugrischen Sprachen und ist, entsprechend den Hauptgruppen der Bevölkerung, in drei Dialekte aufgeteilt: Nordwepsisch, Mittelwepsisch und Südwepsisch. Nordwepsisch ist hierbei etwas weiter von den anderen beiden Dialekten entfernt, trotzdem sind alle drei untereinander verständlich.
Am Beginn des 20. Jahrhunderts schien es ein kurzes nationales Erwachen“ zu geben. Vom sowjetischen Staat unterstützt wurden wepsischsprachige Schulen errichtet, eine Schriftsprache auf Basis des mittelwepsischen Dialektes ins Leben gerufen und ein Alphabet mit lateinischen Buchstaben und Sonderzeichen, ähnlich dem der Karelier, erschaffen. Das erste wepsische Buch wurde 1932 veröffentlich und war ein Lesebuch, insgesamt wurden etwa 30 Bücher in wepsischer Sprache gedruckt. Vor allem handelte es sich um Bücher für den Schulunterricht. Bis 1934 wurden alle Schulen mit Büchern in der Muttersprache ausgestattet, Lehrer wurden aus- und fortgebildet.
Diese Periode hielt jedoch nicht lange an, denn bereits 1937 begann die von Josef Stalin veranlasste Zeit des großen Terrors“, welche alle Minderheiten der Sowjetunion gewaltsam unterdrückte und somit auch die Wepsen betraf. Alle nationalen kulturellen Aktivitäten wurden gestoppt, die Assimilation wurde vorangetrieben, wepsische Schulen wurden geschlossen, Schulbücher wurden verbrannt, Lehrer wurden herhaftet und die nationale Intelligenzia wurde getötet.
Nach dem Krieg zogen viele junge Wepsen in die Städte und integrierten sich im neuen russischen Umfeld, sowohl die Kultur als auch die Sprache betreffend. Weiters wurden vermehrt Mischehen geschlossen, in denen die Kinder dann russisch sprachen.
Im Jahr 1989 wurde die Vepsan Kultursebr, eine Gesellschaft zur Förderung wepsischer Kultur mit dem Ziel der Wiederbelebung ihrer Kultur und Sprache, gegründet und 1997 die Vepsän Sebr, eine Gesellschaft die sich als nationaler und kultureller Interessensvertreter sieht und die Erhaltung der Sprache unterstützt. Ein Versuch in den 1990ern die wepsische Schriftsprache wiederzubeleben schlug fehl. Heute wird an lediglich fünf Schulen Wepsisch als obligatiorisches Fach unterrichtet. Ansonsten wird Wepsisch meist nur als Freifach angeboten.
Quellen
(1)
The Red Book of the Peoples of the Russian Empire: The Veps. URL (2011): http://www.eki.ee/books/redbook/veps.shtml
(2)
Stimme Russlands: Die Wepsen. URL (2011): http://german.ruvr.ru/radio_broadcast/17350884/29011637.html
(3)
Sprachen und Völker der Erde: Wepsen. URL (2011): http://www.langwhich.com/lexikon/sprachen-und-voelker-der-erde/wepsen
(4)
SURI: Vepses. URL (2011): http://www.suri.ee/eup/vepses.html
(5)
Schwarz, C. (2009). Die ostseefinnischen Minderheitssprachen in Russland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Universität Wien.
(6)
Bartens, H.-H. (1990). Zur Situation der Wepsen. Ural-Altaische Jahrbücher, 9. Wiesbaden: Harrassowitz. 251-256.
(7)
Bartens, H.-H. (1998). Die finnisch-ugrischen Minoritätsvölker in Europa. Mitteilungen der Societas Uralo-Altaica, 19. Hamburg: Finnisch-Ugrisches Seminar der Univ.
(8)
Janrich, N., Greule, A. (Hrsg.). (2002). Sprachkulturen in Europa: ein internationales Handbuch. Tübingen: Narr.
Abb. 1
URL (2011): http://www.flaggenlexikon.de/fwepsien.htm
Abb. 2
© Schönol, Verena (2011)