You are viewing an old version of this page. View the current version.

Compare with Current View Page History

« Previous Version 17 Next »

Uralische Sprachen

Inhaltsverzeichnis

Einleitung


Die uralischen Sprachen bilden eine Familie von etwa 30 Sprachen, die von rund 25 Millionen Menschen gesprochen werden. Sie erstreckt sich über weite Teile des nördlichen Eurasiens von Skandinavien bis über den Ural auf die Taimyr-Halbinsel. Außerdem gehört das Ungarische in Mitteleuropa zu dieser Familie.

Typologisch haben die uralischen Sprachen eine große Bandbreite. Einige Eigenschaften sind vorherrschend oder doch weit verbreitet: eine reiche agglutinative Morphologie, insbesondere ein reichhaltiges Kasussystem mit bis zu 20 Fällen. Die Verneinung erfolt in den meisten Sprachen durch ein flektierbares Hilfsverb, Vokalharmonie ist in einigen Sprachen vorhanden. Die Heimat der gemeinsamen Muttersprache aller uralischer Sprachen, also des Proto-Uralischen, lag wahrscheinlich im zentralen oder südlichen Uralgebiet. Diese angenommene Urheimat war bestimmend für die Namensgebung der Sprachfamilie. Der Prozess der Abtrennung einzelner uralischer Gruppen und ihre Einwanderung in die späteren Siedlungsgebiete begann vor etwa 6000 Jahren.

Die Wissenschaft von den uralischen Sprachen und der damit verbundenen Kultur heißt Uralistik oder - bei der Beschränkung auf einen der beiden Hauptzweige des Uralischen - Finnougristik und Samojedistik.

Hauptsprachen


Die wichtigsten und sprecherreichsten uralischen Sprachen sind:

  • Ungarisch oder Magyar, 14,5 Millionen Sprecher, Nationalsprache Ungarns und der Ungarn, Sprache der autochthonen ungarischen Minderheiten in Kroatien (v.a. Gespanschaft Osijek-Baranja), Österreich (v.a. Burgenland), Rumänien (Siebenbürgen), der Slowakei (ehemaliges Oberungarn), Serbien (Vojvodina) und der Ukraine (Transkarpatien)
  • Finnisch oder Suomi, 6 Millionen Sprecher, Nationalsprache Finnlands
  • Estnisch, 1,1 Millionen Sprecher, Nationalsprache Estlands
  • Mordwinisch, 1,1 Millionen Sprecher, Russland, Mordwinien (Varietäten: Ersjanisch und Mokschanisch)
  • Mari oder Tscheremissisch, 600.000 Sprecher, Russland, Republik Mari El
  • Udmurtisch, 550.000 Sprecher, Russland, Udmurtien
  • Komi, 400.000 Sprecher, Russland, Republik Komi (Varietäten: Komi-Syrjänisch und Komi-Permjakisch)

Hauptzweige und Verbreitungsgebiete


Die beiden Hauptzweige

Das Uralische zerfällt in zwei klar definierte Hauptzweige, die sich vor mindestens 6000 Jahren getrennt haben:

  • den größeren westlichen Zweig Finno-Ugrisch mit heute über 99% der uralischen Sprecher und insgesamt 24 Sprachen
  • den kleineren nördlich und östlich des Urals beheimateten Zweig des Samojedischen mit noch vier lebenden Sprachen, die von nur noch höchstens 30.000 Menschen in riesigen dünn besiedelten Gebieten Nordsibiriens gesprochen werden.

Der sprachliche Abstand zwischen Finnisch und Ungarisch - beide sind Mitglieder des finno-ugrischen Zweigs - kann mit dem zwischen Deutsch und Russisch verglichen werden; die Unterschiede zwischen einzelnen finno-ugrischen und samojedischen Sprachen sind noch erheblich größer.

Die finno-ugrischen Sprachen

Die bekannteste finno-ugrischen Sprachen sind das Ungarische (14,5 Millionen Sprecher), das Finnische (6 Millionen Sprecher) und das Estnische (1,1 Millionen Sprecher). Diese drei sind auch die einzigen uralischen Sprachen mit dem Status einer Nationalsprache.

Das Samische (die frühere Bezeichnung "Lappisch" wird von den Samen abgelehnt) bildet eine Gruppe von 10 Sprachen mit rund 35.000 Sprechern, die hauptsächlich in Norwegen und Schweden, aber auch in Finnland und Russland auf der Kola-Halbinsel gesprochen werden. Das Livische ist eine fast ausgestorbene, dem Finnischen eng verwandte Sprache in Lettland. Alle anderen uralischen Sprachen haben ihre Verbreitungsgebiete im heutigen Russland.

Zunächst schlißen sich dem Estnischen in Russland in einer breiten Zone bis zur Kola-Halbinsel die Sprachen Wotisch, Ingrisch (beide fast ausgestorben), Wepsisch (8.000 Sprecher) und Karelisch (70.000, Autonome Republik Karelien) an. Wepsisch und Karelisch werden fast nur noch von älteren Sprechern gesprochen. Im zentralen Wolgagebiet findet man in eigenen autonomen Republiken das Mordwinische (mit 1,1 Millionen Sprechern die größte uralische Sprache Russlands), das Mari oder Tscheremissische (600.000 Sprecher) und das Udmurtische (600.000). Weiter nördlich schließt sich das Komi mit den Varietäten Syrjänisch und Permjakisch an, die zusammen etwa 500.000 Sprecher aufweisen. Manche Autoren betrachten Syrjänisch und Permjakisch als separate Sprachen.

Östlich des Urals werden im Ob-Gebiet die ob-ugrischen Sprachen Chantisch (oder Ostjakisch, 15.000 Sprecher) und Mansisch (oder Wogulisch, 5.000 Sprecher) in einem eigenen autonomen Kreis der Chanten und Mansen gesprochen. Sie sind die nächsten Verwandten des weit nach Westen vorgedrungenen Ungarischen und bilden mit deisem die ugrische Untergruppe.

Die samojedischen Sprachen

Die trotz sowjetischer Ansiedlungspolitik teilweise nomadisch gebliebenen Samojeden bewohnen im Norden Russlands ein riesiges Gebiet vom Weißen Meer bis zur Taimyr-Halbinsel. Die etwa 41.000 Nenzen oder Juraken machen den weitaus größten Teil der Samojeden aus. Sie stellen in drei autonomen Bezirken die Titularnation (Autonomer Kreis der Nenzen, Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen und der ehemalige Autonome Kreis Taimyr), zudem leben etwa 1.200 Wald-Nenzen im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen und etwa 8.000 in der Oblast Archangeslk. Noch 27.000 Personen, also etwa 70% der Nenzen, sprechen ihre angestammte nenzische Sprache. Die nah verwandten Enzen an der Jenissei-Mündung zählen nur noch etwa 230, von denen noch rund 100 ältere Stammesmitglieder das Enzische sprechen.

Nördlich und östlich schließen sich die Nganasanen an, von denen etwa 1.000 Nganasanisch sprechen, und die südöstlich im Gebiet des mittleren Ob lebenden Selkupen mit 2.000 Sprechern des Selkupischen. Die süd-samojedischen Sprachen Mator und Kamas sind ausgestorben. Mator wurde im frühen 19. Jahrhundert von einer Turksprache verdrängt; es wurde jedoch vorher durch intensive linguistische Feldarbeit erschlossen. Der letzte Kamas-Sprecher starb 1989.

Genetische Struktur und Klassifikation der uralischen Sprachen


Genetische Struktur

Da die aktuelle wissenschaftliche Diskussion verschiedene Ansätze für die innere Gliederung der uralischen Sprachen bietet - insbesondere für den Finno-ugrischen Zweig - , wird hier weitgehend die traditionelle Klassifikation zugrunde gelegt, welche von den meisten Forschern favorisiert wird.

Allerdings muss nach Übereinstimmung der meisten Finnougristen die Einheit Wolgafinnisch (Zusammenfassung von Mordwinisch und Mari) aufgegeben werden. Auch eine früher angenommene finnisch-samische Einheit wird von manchen Forschern nicht mehr vertreten, so dass beides separate Gruppen innerhalb des Finno-Permischen darstellen. Man erhält dann folgende genetische Struktur der uralischen Sprachfamilie:

  • Uralisch
    • Finno-Ugrisch
      • Finno-Permisch
        • Ostseefinnisch
        • Samisch
        • Mordwinisch
        • Mari
        • Permisch
      • Ugrisch
        • Ungarisch
        • Ob-Ugrisch
    • Samojedisch
      • Nordsamojedisch
      • Südsamojedisch

Klassifikation der uralischen Sprachen



  • No labels