Covid 19 update blues

Normalität für den Betreiber einer Website. Über Jahre ist das Zusammenspiel zwischen dem Server, der Blog-Software, deren Plugins und den dazugehörigen Systembibliotheken eingerichtet worden. Die Arbeit besteht jetzt darin, neue Podcast-Episoden einzuspielen, mit Erläuterungen zu versehen, freizuschalten und zu bewerben. Und eines Tages steht das Werkel. Die hässliche Fehlermeldung zeigt einen Rattenschwanz von Störungen in der Programmabwicklung.

Ärgerlich. Ist es eine vorübergehende Komplikation? Habe ich irrtümlich eine Einstellung verändert? Ein Einbruch im System vielleicht? Die Recherche zeigt einen anderen Grund. Es liegt tatsächlich an den Einstellungen. Die neueste Version des Podcast-Plugins hat mit (bisherigen) Normalitäten aufgeräumt. "it is a major rewrite", darum funktionieren die alten Abläufe nicht mehr. Das trifft nicht bloß ein kleines Rädchen im Getriebe. Die Neufassung des Plugins verlangt ein Update wichtiger Elemente der Systemumgebung. Für Frustration ist gesorgt.

Statt das alte System rundum zu erneuern versuche ich, die Software in einer nagelneuen Umgebung zu installieren. Zu meiner Verwunderung gelingt es nicht einmal, den Titel eines Podcasts richtig einzutragen. Er wird automatisch mit einem Präfix versehen: "000_nullTitel". Die Welt hat sich gegen mich verschworen. Die Softwareentwicklerinnen kümmern sich nicht um die Anwenderinnen und wenn sie etwas erneuern, funktioniert es erst nicht richtig.

Man hat mich der Normalität beraubt. Mein Recht auf Absehbarkeit verletzt und meine Arbeitsumstände verkompliziert. Man hat die Zufriedenheit gestört, mit der ich das Projekt einer bottom-up Internetpräsenz betrieb. Ich verlange ein Verbot aller Eingriffe in mein persönliches IT-Arrangement, insbesondere ein Verbot aller Verbote, veraltete Software zu benutzen. Es hat bisher geklappt, wieso soll es nicht in Zukunft funktionieren? Wo ist das Forum, auf dem ich den Verantwortlichen gehörig meine Meinung sagen kann?

Gemach. Bei näherer Überprüfung stellt sich heraus, dass die "Nullnummer" des Titels eine Einstellungsfrage ist; Sache eines Häckchens in der Konfiguration. Der "rewrite" seinerseits ist nicht von ungefähr gekommen. Es ist ein Spagat, alte Gebräuche zu bewahren und die Möglichkeiten der Zukunft anzuvisieren. Die IT-Gurus haben Mittel zur Verfügung gestellt, den Umstieg durchzuführen. Das Zähneknirschen wird, so ist zu hoffen, einer neuen Zufriedenheit weichen. Das war's dann. Oder?

Es folgt ein Stoßseufzer aus gegebenem Anlass. Die Episode aus der Softwarebetreuung dient als Modell für einen Einspruch gegen Normalitätsbeschwerde und --beschönigung.

Was geschieht mit dem Unbehagen, vielleicht der Wut, dass jemand den dargestellten Zumutungen ausgesetzt ist? Nicht einfach normal weiterleben kann, wenn rund um sie die Umstände sich ändern? Verdammt, wo sind wir gelandet? Seit der Schulzeit ist Aufmüpfigkeit angesagt und Zukunft ging mit Fortschritt Hand in Hand. "Schöpferische Zerstörung" war die Devise der jungen Generation. Und jetzt hat uns der ekelhafte Neoliberalismus, zusammen mit dem schleichende Totalitarismus der nationalen Krisengesetzgebung, die wohlverdiente Ruhe geraubt??

Der Ärger mit den Maschinenabläufen entstand aus verschiedenen Gründen. Manche liegen bei den Benutzerinnen, einige beim Anbieter der Software, die meisten stammen daher, dass es Regeln gibt, die sich im gesellschaftlichen Gebrauch als Normen auswirken und etablieren. Etwas an Normen zu bekritteln – das ist die Wutantwort auf die durchlebte Wut – ist zur philosophischen Unterhaltungsliteratur geworden. Soll sein; darin steckt eine nach wie vor angezeigte Skepsis gegen das Übergewicht erstarrter Normen.

Die sogenannte "neue Normalität" hingegen ist die alte. Normalität war immer schon der Name für eine Kraft, die Leben bedroht und begünstigt. Das liegt daran, dass die "Norm", die ihr den Namen gibt, von Menschen festgesetzt und für sie flexibel ist. Nicht immer, auch nicht immer öfter, aber immerhin im Idealfall.     


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