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Es ist klar, dass die Italiener bereit sind, praktisch alles zu opfern, normale Lebensbedingungen, soziale Beziehungen, Arbeit, sogar Freundschaften, Zuneigung und religiöse und politische Überzeugungen, um der Gefahr einer Erkrankung zu entgehen. Das nackte Leben - und die Angst, es zu verlieren - ist nicht etwas, das die Menschen verbindet, sondern sie blendet und trennt. ... Die Toten - unsere Toten - haben kein Recht auf ein Begräbnis, und es ist nicht klar, was mit den Leichen unserer Angehörigen geschieht. Unser Nachbar wurde ausgelöscht, und es ist merkwürdig, dass die Kirchen zu diesem Thema schweigen. Was wird aus den zwischenmenschlichen Beziehungen in einem Land, das sich daran gewöhnt hat, so zu leben, ohne zu wissen, wie lange? Und was ist eine Gesellschaft, die keinen anderen Wert als das Überleben hat?

Der Eintrag beginnt mit dem anfangs genannten 2. Faktor, der Angst der Bevölkerung und – indirekt – der Akzeptanz der Regierungsmaßnahmen. Dieser Teil des "Teufelskreises" ist das unerlässliche Pendent zur Beschwerde der Staatskritiker. Ihr Protest richtet sich nicht bloß gegen die Autoritäten, sondern ebenso gegen die Bevölkerung. Sie kämpfen an zwei Fronten, gegen die Verführer und die Verführten. 

Alles opfern -- Gefahr einer Erkrankung. Diese ungleiche Gegenüberstellung ist eine rhetorische Rafinesse. Sie schreibt auf der einen Seite den Behörden einen totalitären Zugriff, auf der anderen den Bürgerinnen eine kleinmütige Verzagtheit zu. Die instinktive Reaktion angesichts von Terrorattacken oder Naturkatastrophen ist, anthropologisch gesehen  "Rette sich, wer kann". Es ist freilich möglich, Panik zu erzeugen und heilsam, dagegen aufzutreten. Das war genau der Tenor der Verlautbarungen des CNR. Gerade diese Versuche dienten Agamben dazu, die Ungefährlichkeit des Virus zu betonen. Aus dieser Perspektive erscheinen die Verordnungen "total" übergriffig und die Reaktionen unterwürfig. Diese Darstellung ist für Ende Februar 2020 nachvollziehbar. Sie blendet aus, dass Covid-19 eine Gefahrenquelle sui generis ist: biologisch, mutationsfähig, präzedenzlos, global. Und zweitens, dass "die Verantwortlichen" für Gegenmaßnahmen ihrerseits Menschen und keine allwissenden Geschöpfe sind, die falsch und/oder parteilich reagieren können. 

Zum bloßen Überleben als höchstem Wert zwei Stellungnamen:


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Zur Reduktion des Menschen auf die biologische Existenz, mit Bezug auf Sophokles' "Antigone":


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Eine kurze Darstellung des in diesem Zusammenhang zentralen Begriffs der Biopolitik.


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 Agamben zeichnet die Logik eines Opfers, das gleichzeitig "jede Dimension (sc. des Lebens) verloren hat" und überhaupt nicht als Opfer erkannt wird.

Die Epidemie macht außerdem deutlich, dass der Ausnahmezustand, an den uns die Regierungen seit langem gewöhnt haben, tatsächlich zum Normalzustand geworden ist, und zwar nicht weniger beunruhigend als der erste. In der Vergangenheit gab es schon schlimmere Epidemien, aber niemand hat je daran gedacht, einen Notstand auszurufen wie den jetzigen, der uns daran hindert, uns überhaupt zu bewegen. Die Menschen haben sich so sehr daran gewöhnt, in ständigen Krisen und Notlagen zu leben, dass sie nicht zu erkennen scheinen, dass ihr Leben auf einen rein biologischen Zustand reduziert wurde und jede Dimension verloren hat, nicht nur die soziale und politische, sondern auch die menschliche und emotionale. Eine Gesellschaft, die in einem ständigen Ausnahmezustand lebt, kann keine freie Gesellschaft sein. Tatsächlich leben wir in einer Gesellschaft, die die Freiheit den so genannten "Sicherheitsgründen" geopfert hat und sich damit selbst dazu verdammt hat, in einem ständigen Zustand der Angst und Unsicherheit zu leben.Es ist nicht verwunderlich, dass von einem Krieg wegen des Virus die Rede ist. Die Notstandsmaßnahmen zwingen uns faktisch dazu, unter einer Ausgangssperre zu leben. Aber ein Krieg mit einem unsichtbaren Feind, der in jedem anderen Menschen lauern kann, ist der absurdeste aller Kriege. In Wahrheit ist es ein Bürgerkrieg. Der Feind ist nicht draußen, er ist in uns

Ein Ausnahmezustand ist zum Normalzustand geworden. Die Formulierung ist pointiert widersprüchlich. Sie operiert mit der Verschleifung zweier getrennter Ebenen. Auf den ersten Blick schließen Normalität und Ausnahme einander aus. Dass die Ausnahme normal geworden sei besagt in diesem Sinn, sie habe die Seiten gewechselt und ist fortan als Normalität zu bezeichnen. Es sei normal, dass überall vorwiegend die Ausnahme herrscht. Damit verschwindet der Widerspruch. Es gibt keine Normalität, die man der Herrschaft der Ausnahme entgegenstellen könnte. Diese ist selbst zur Normalität avanciert. Diese Schlussfolgerung ist von Agamben nicht beabsichtigt. Er hat noch einen zweiten Begriff von Normalität in Reserve. Er kommt ins Spiel, wenn er "den Menschen" vorhält, dass sie etwas verloren haben, ohne es zu merken: das Leben in einer freien Gesellschaft in allen seinen Dimensionen. Das ist eine Normalität, an welcher der Verlust von "Normalität" (im Widerspruch zur Ausnahme) gemessen werden kann.

Es geht nicht so sehr oder nicht nur um die Gegenwart, sondern auch um die Zeit danach. So wie Kriege dem Frieden eine Reihe von ruchlosen Technologien vermacht haben, vom Stacheldraht bis zum Atomkraftwerk, so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch nach dem Gesundheitsnotstand versucht wird, die Experimente fortzusetzen, die den Regierungen bisher nicht gelungen sind: dass Universitäten und Schulen geschlossen werden und der Unterricht nur noch online stattfindet, dass die Menschen endlich aufhören, sich aus politischen oder kulturellen Gründen zu treffen und zu reden, und nur noch digitale Nachrichten austauschen, dass, wo immer möglich, Maschinen jeden Kontakt - jede Ansteckung - zwischen Menschen ersetzen.

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Zur Diagnose, dass die Opferung der "normale(n) Lebensbedingungen, soziale(n) Beziehungen, Arbeit, sogar Freundschaften, Zuneigung und religiöse(r) und politische(r) Überzeugungen" nicht soweit fortgeschritten ist, wie Agambens düsteres Bild suggeriert, drei Videos des Widerstands gegen die Einschränkungen und die unterstellte Gefügigkeit.