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Fear is a poor advisor, but it causes many things to appear that one pretended not to see. The problem is not to give opinions on the gravity of the disease, but to ask about the ethical and political consequences of the epidemic. The first thing that the wave of panic that has paralyzed the country obviously shows is that our society no longer believes in anything but bare life.

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Es ist klar, dass die Italiener bereit sind, praktisch alles zu opfern, normale Lebensbedingungen, soziale Beziehungen, Arbeit, sogar Freundschaften, Zuneigung und religiöse und politische Überzeugungen, um der Gefahr einer Erkrankung zu entgehen. Das nackte Leben - und die Angst, es zu verlieren - ist nicht etwas, das die Menschen verbindet, sondern sie blendet und trennt. Andere Menschen werden, wie bei der von Manzoni beschriebenen Pest, nur noch als mögliche Angreifer gesehen, denen man unbedingt aus dem Weg gehen muss und von denen man mindestens einen Meter Abstand halten muss... Die Toten - unsere Toten - haben kein Recht auf ein Begräbnis, und es ist nicht klar, was mit den Leichen unserer Angehörigen geschieht. Unser Nachbar wurde ausgelöscht, und es ist merkwürdig, dass die Kirchen zu diesem Thema schweigen. Was wird aus den zwischenmenschlichen Beziehungen in einem Land, das sich daran gewöhnt hat, so zu leben, ohne zu wissen, wie lange? Und was ist eine Gesellschaft, die keinen anderen Wert als das Überleben hat?

Der Eintrag beginnt mit dem anfangs genannten 2. Faktor, der Angst der Bevölkerung und – indirekt – der Akzeptanz der Regierungsmaßnahmen. Dieser Teil des "Teufelskreises" ist das unerlässliche Pendent zur Beschwerde der Staatskritiker. Ihr Protest richtet sich nicht bloß gegen die Autoritäten, sondern ebenso gegen die Bevölkerung. Sie kämpfen an zwei Fronten, gegen die Verführer und die Verführten. 

Alles opfern -- Gefahr einer Erkrankung.

Die Epidemie macht außerdem deutlich, dass der Ausnahmezustand, an den uns die Regierungen seit langem gewöhnt haben, tatsächlich zum Normalzustand geworden ist, und zwar nicht weniger beunruhigend als der erste. In der Vergangenheit gab es schon schlimmere Epidemien, aber niemand hat je daran gedacht, einen Notstand auszurufen wie den jetzigen, der uns daran hindert, uns überhaupt zu bewegen. Die Menschen haben sich so sehr daran gewöhnt, in ständigen Krisen und Notlagen zu leben, dass sie nicht zu erkennen scheinen, dass ihr Leben auf einen rein biologischen Zustand reduziert wurde und jede Dimension verloren hat, nicht nur die soziale und politische, sondern auch die menschliche und emotionale. Eine Gesellschaft, die in einem ständigen Ausnahmezustand lebt, kann keine freie Gesellschaft sein. Tatsächlich leben wir in einer Gesellschaft, die die Freiheit den so genannten "Sicherheitsgründen" geopfert hat und sich damit selbst dazu verdammt hat, in einem ständigen Zustand der Angst und Unsicherheit zu leben.

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