DIE MANSEN
Die Mansen zählen als eines von zwei Völkern zu den obugrischen Völkern. Sie sind die nächsten Verwandten der Chanten und Ungarn.
Die Mansen wurden erstmals in schriftlichen Aufzeichnungen im Jahr 1396 erwähnt und seitdem bis Anfang des 20. Jahrhunderts von den Russen „Woguly" (Wogulen).
Sie bezeichnen sich bis heute selbst als Mansen, da die Bezeichnung Wogulen von den Russen meist abwertend gemeint wurde.
Sie zählen ca. 11 000 Personen.
Die meisten von ihnen leben im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen. (2) (5)
#Abb. 1 Flagge der Chanten und Mansen
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Es muss gesagt werden, dass sich das Volk der Mansen durch ein Verschmelzen der einheimischen Stämme der steinzeitlichen Kultur des Ural mit den ugrischen Stämmen herausbildete. Und diese beiden Komponenten - die Kultur der Taiga-Jäger und Fischer sowie der nomadischen Viehzüchter aus den Steppen - sind in der Kultur des Volkes bis in die Gegenwart erhalten.
Ursprünglich lebten die Mansen im Ural und an dessen Westhängen, doch als im 11. bis 14. Jahrhundert in dieser Gegend die Komi und die Russen auftauchten, zogen sie in das Gebiet jenseits des Urals.
Während des ersten Jahrtausends verließen die Vorfahren der Obugrier (Chanten und Mansen) die Region bei den Flüssen Petschora und Wytschegda und überquerte das Ural-Gebirge und erreichten das Ufer des unteren Ob im Nordwesten Sibiriens.
Es wird davon ausgegangen, dass die Chanten und Mansen sich während des 13. Jahrhunderts trennten und die Chanten nach Osten zogen.
Die Trennung der ugrischen Völker und wurde durch die militärischen Interessen der Russen und Tataren an diesen Gebieten und ihren natürlichen Ressourcen beschleunigt.
Aufzeichnungen aus dem Jahr 1265 zeigen, dass Jugra, das Land der ugrischen Völker, von Novgorod anerkannt war.
Vom 13. bis zum 18. Jahrhundert kämpften die Chanten und Mansen, unter der Führung ihrer Oberhäupter, gegen die Tataren und die Russen schließlich wurden sie aber besiegt. Daraufhin mussten sie Tribut zahlen, vom 14. bis zum 16. Jahrhundert sogar an beide.
Die Tataren mischten sich nicht in die Strukturen der mansischen Gesellschaft ein im Gegensatz zu den Russen, die mit ihren Feldzügen immer neue Länder erobern wollten.
Die Mansen aber wehrten sich und so gab es vor allem im 16. Jahrhundert immer wieder Aufstände. Die Mansen litten allerdings mehr unter den Russen als die Chanten, da die sich immer weiter nach Osten zurückzogen.
Im 15. Jahrhundert begann man die Mansen zu Christianisieren, was aber wenig erfolgreich war. Erst im zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden viele Mansen getauft. Sie blieben allerdings trotzdem immer Animismus und Schamanismus treu.
Ab dem 18. Jahrhundert kamen eine immer größere Anzahl von russischen Kaufleuten und Beamten nach Westsibirien. Sie forderten jede Menge Zahlungen griffen auf unlautere Geschäftspraktiken zurück und machten dadurch die lokale Bevölkerung wirtschaftlich abhängig. So wie auch bei den Chanten brachten die Russen auch zu den Mansen destruktive Gewohnheiten (Alkohol als der größte Fluch) in deren Alltag.
Die Ankunft der sowjetischen Macht wurde durch große Versprechungen und Erwartungen für die Chanten und andere Völker des Nordens begleitet. 1925 wurde ein Komitee für die Völker des Nordens gegründet, mit der Absicht die Chanten, Mansen und Nenzen auf den Weg des Fortschritts zu führen. 1930 wurde der Nationale Bezirk der Chanten und Mansen gegründet. Durch den Angriff auf die alten Traditionen durch die neue Ideologie, begann die Verfolgung der Schamanen und die Zerstörung der mansischenVolksbräuche.
In den 1950er und 60er Jahren wurden große Gas- und Ölvorkommen in Westsibirien entdeckt. Die Menschen vor Ort, einschließlich der Mansen, erlebten nur negative Auswirkungen.
Vor allem die Umwelt wurde verschmutzt. Öl verunreinigte die Weiden und Gewässer die einmal mit Fischen gefüllt waren, die Gas- und Ölleitungen blockierten die Pfade der Rentiere und Waldbrände zerstörten die Wälder.
Jedes Jahr entstanden 20 000 – 25 000 Tonnen Verschmutzung. 50% des Erdgases wird einfach sinnlos verbrannt. Die Verschmutzung durch die Industrie reduziert die Fischgründe um ca. 10.000 Hektar pro Jahr.
Zur gleichen Zeit stieg die Bevölkerung im Gebiet der Chanten und Mansen explosionsartig an. Geologen, Erdölarbeiter, Straßenbauer und andere waren die neuen Bewohner. Die Mehrzahl dieser Neuankömmlinge war nur an Geld interessiert, so viel wie möglich davon in möglichst kurzer Zeit erwirtschaften. Arbeiten in den hohen Norden war profitabel, und als Entschädigung die Arbeiter waren verschiedene Privilegien eingeräumt.
Der Ansturm der Industrie führte zur Zwangsräumung der Mansen und veränderte ihr Umfeld, was zu vielen Schwierigkeiten für die Mansen führte und somit auch zur Frage ob die Mansen als Nation erhalten bleiben.
Bis 1979 übten nur mehr etwa 43% der Mansen führten ihre traditionellen Beschäftigungen aus, der Rest hatte Gelegenheitsjobs, war teilzeitbeschäftigt oder arbeitslos. Alkoholismus war daraufhin ein weit verbreitetes Phänomen.
Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei nur 40 bis 45 Jahren und der Anteil der Selbstmorde ist hoch.
Durch das verlassen der Region vor allem von den Frauen der Mansen um Arbeitsplätze zu finden, führte dazu, dass das Gleichgewicht der Geschlechter nicht Aufrecht erhalten werden konnte.
Durch die intensive Russifizierung sprechen auch 2 / 3 der Kinder ihre Muttersprache nicht. In der Gesellschaft überwiegt eine Diskriminierende Haltung gegenüber den Mansen.
Darum hat ein Teil der Mansen ein Leben in einem geschlossenen Kreis mit ihren Bräuchen, ihrer Sprache und Traditionen gewählt. Einige andere wiederum versuchten der verhöhnenden Haltung der Russen zu entgehen und versuchen nun selbst wie die Russen zu leben.
(2) (5)
Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen der Mansen, lässt darauf schließen, dass die Zahl der Mansen relativ konstant ist.
Allerdings reduziert sich die Zahl derer die Mansisch als Muttersprache sprechen stetig, was in der nachfolgenden Statistik nicht angegeben ist.(5)
Jahr |
Bevölkerung (5) |
---|---|
1897 |
~ 7 600 |
1905 |
~ 5 300 |
1926 |
~ 5 700 |
1959 |
~ 6 400 |
1970 |
~ 7 700 |
1979 |
~ 7 500 |
2009 |
~ 8 500 |
Geographische Verbreitung
Die Mansen leben auf den Höhen des nördlichen Urals, von wo sie sich ostwärts bis zum Irtisch, zur Tawda und Tura, westwärts aber bis zur Kama in den Gouvernements Perm und Tobolsk ausbreiten. Im Norden gehen sie bis zur Soswa und im Süden bis zur Koswa und Tschussowaja. Der größte Teil ist an der Konda seßhaft.
Das Gebiet in dem sie leben ist sehr groß, es umfasst 523.100 Quadratkilometer, die Bevölkerungsdichte hingegen ist im Vergleich dazu gering.(1) (5)
#Abb. 2 Karte der Verbreitungsgebiete der Mansen
Kultur
Die Mansen befassten sich traditionell mit der Jagd, dem Fischfang, der Pferde- und Rentierzucht, dem Ackerbau und der Viehzucht. Die Jagd in den großen Wäldern auf Elentiere, Zobel, Eichhörnchen bildet ihren Haupterwerbszweig. Waldvögel und Fische bilden die Hauptnahrung. Eine wesentliche Ergänzung waren Beerenobst wie Heidelbeeren, Preiselbeeren, Moosbeeren, Faulbeeren und Johannisbeeren.
Die Mansen benutzten im Winter Skier, die an der Unterseite extra mit einem Fell bespannt waren. Ihre Lasten beförderten sie auf Schlitten, die sie selbst zogen, oder die manchmal auch von Hunden gezogen wurden. Die Rentierzüchter spannten Rentiere vor ihre Schlitten.
Eine große Bedeutung im Alltag besaß für sie die Zeder. Erstens sammelten sie eine riesige Ernte an Zedernnüssen, zweitens fertigten sie daraus Gebrauchsgegenstände an: Geschirr, Kästen, Schachteln, Körbe. Aus der Birkenrinde fertigten sie Dosen an, aus Birkenholz - Geschirr, Löffel, Schöpfkellen und sogar einfache Möbel.
In einer Mansen-Siedlung wohnten meistens mehrere miteinander verwandte Familien.
Die traditionelle Behausung der Mansen war in jener Zeit, als sie noch keinen Kontakt zu den Russen hatten, eine Halberdhütte. Später wurde ein Blockhaus mit Satteldach der ständige Wohnsitz für den Winter und zuweilen auch für den Sommer (Sommer- oder Winterjurten). Die Tür befand sich stets auf der Südseite des Hauses. In einer Seitenwand oder auch in beiden Seitenwänden gab es Fensteröffnungen. Früher verschloss man sie im Winter mit zurechtgeschnittenen Eisschollen, im Sommer - mit einer Fischblase.
Die Mansen sind eher klein, sie haben hohe Wangenknochen und ihre Augen und Haare sind dunkel.
(1) (2)(3) (5)
Religion
Obwohl die Mansen im 18. Jahrhundert formell zum Christentum bekehrt wurden, blieb der Schamanismus ihre traditionelle Religion. Ebenso wie bei den Chanten war der Kult der Schutzgeister, der Vorfahren und des Bären entwickelt.(2)
Folklore
Die Folklore der Mansen umfasst Mythen, Sagen, Lieder, Märchen und Werke anderer Genres(die vor allem im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert von Antal Reguly, Serafim Patkanov, K.F. Karjalainen, Artturi Kannisto, József Pápay, Bernát Munkácsi und anderen gesammelt wurden).
In der Mythologie existiert keine klare Grenze zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Helden in ihren Mythen können alt und dann auch wieder jung werden. Den führenden Platz in der Mythologie nehmen die Sonne und der Mond ein. In der Natur symbolisieren sie das Gegensätzliche, wie die Hitze und die Kälte. Und das widerspiegelt sich auch in der Mythologie.(2)
Kunst
Die traditionelle Bekleidung der Mansen-Frauen war ein Kleid und Chalat (weiter Mantel) aus Baumwollstoff oder Tuch. Im Winter trugen sie Pelzmäntel - die Sachi, die auch innen mit Fell gefüttert waren.
Die Bekleidung wurde mit Glasperlen, mit Applikationen aus buntem Stoff und verschiedenfarbigem Fell verziert. Auf dem Kopf trug man ein großes Tuch mit breiter Borte und Fransen.
Bei den Mansen-Frauen hielt sich lange der Brauch, stets ein Tuch umzubinden. Man meinte, sonst würde man das Unglück anlocken.
Die jungen Mädchen trugen Stirnbänder - die „Panshos". Als Schuhwerk dienten ihnen Filzstiefel mit angenähter Sohle. Man trug sie über den aus Schafwolle oder Hundewolle gestrickten Strümpfen, die ebenfalls mit Glasperlen verziert waren.(2)
Die Männer trugen Hemden, die im Schnitt den Kleidern der Frauen ähnelten, Hosen und Gürtel, an denen sie ihre Jagdausrüstung befestigten.
Als Oberbekleidung diente ihnen ein wie eine Tunika zugeschnittener Mantel aus Tuch oder Rentierfell mit Kapuze.
(2)
Kunsthandwerk:
Meist mit geometrischen oder stilisierten Tier- und Pflanzenornamenten verzierte Gegenstände aus Leder, Holz, Stoff, Birkenrinde (#Abb. 3).
Literatur
Ein vergleichsweise bekannter Vertreter der Mansi war der am 5. November 2011 verstorbene Schriftsteller Juwan Schestalow. Bis zur Perestroika gehörte Schestalow zu den sowjettreuen Vertretern der „Nationalliteraturen“ der indigenen Völker des Nordens, die seit den 20er Jahren geschaffen worden waren, um die aufklärerische und fortschrittsbringende Wirkung der Sowjetunion zu demonstrieren. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus hat er eine scharfe Wendung hin zum Schamanismus vollzogen und vertritt die These, die Mansen seien Nachkommen der antiken Sumerer, eine Überzeugung, die allerdings außer ihm selbst niemand teilt. (4)
Sprache
Sie sprechen die mansische Sprache, die zur ugrischen Gruppe der finnougrischen Sprachen gehört. In dieser Sprache gibt es 7 Dialekte. Sie sind so verschieden, dass sie manchmal sogar die Verständigung erschweren.
Sie ist nahe mit dem Ungarischen, am nächsten aber mit dem Chantischen verwandt.
Die chantische und die mansische Sprache entstanden ca. im 13. Jahrhundert.
Die mansische Sprache beinhaltet viele Lehnwörter vor allem aus dem russischem. Die älteren Lehnwörter sind assimiliert, die neueren aus der russischen Sprache nicht mehr vor allem durch die jetztige Zweisprachigkeit der Mansen.
Die Literatursprache der Mansen stützt sich auf den Soswin-Dialekt. In der wissenschaftlichen Literatur vereint man die Mansen und die Chanten unter der gemeinsamen Bezeichnung „die Ugry vom Ob".
Eine Grammatik derselben in ungarischer Sprache veröffentlichte Paul Hunfalvy.(1) (2) (5)
Quellen
(1)
Zugriff am 22.11.2011: URL: http://www.peter-hug.ch/lexikon/Wogulen
(2)
Zugriff am 10.01.2012: URL: http://german.ruvr.ru/radio_broadcast/17350884/21516393.html
(3)
Zugriff am 10.01.1012: URL: http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=116836
(4)
Zugriff am 06.12.2011: URL: http://www.raipon.org/russian_site/people/people_perepis_2002_rus.htm
(5)
Zugriff am 10.01.2011: URL: http://www.eki.ee/books/redbook/mansis.shtml
Abb. 1
Zugriff am 10.01.2012: URL: http://www.baz-selbelang.de/jugra.html
Abb. 2
Zugriff am 10.01.2012: URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Map_of_Russia_-_Khanty-Mansi_Autonomous_Okrug_(2008-03).svg&filetimestamp=20100204172525
Abb. 3
Laakso, J.: Vorlesungsfolien SS 2011: Kulturen der uralischen Völker