DIE WOTEN



Die Woten nennen sich selbst vadjalain, vaddalain, vadajakko (ein Wote) oder maavätchi (das Volk der Woten), ihre Sprache nennen sie vadyaa cheeli oder maacheeli.
Man sagt, dass das Wort vadja vom frühen ostseefinnischen Wort vakja kommt, was soviel wie Keil/Zapfen bedeutet und vakja wiederum ist ein baltisches Lehnwort. Weiters wird eine Verbindung mit Vaiga, einem Landkreis im Osten des historischen Estlands, vermutet.
Jaroslaw der Weise, Herrscher von Nowgorod im 11. Jahrhundert, erwähnte die Woten zum ersten Mal in einer schriftlichen Order. In russischen Quellen wurden die Woten oft chud genannt, hierbei handelte es sich allerdings um eine Sammelbezeichnung für mehrere finno-ugrische Völker.
Im historischen Livland wurde der gesamte nordwestliche Teil Nowgorods als Watland bezeichnet, alle dort beheimateten Völker wurden Woten genannt. Der Name Watland gelang in den Westen, wo im 12. oder 13. Jahrhundert in römisch-katholischen Schriften der Ausdruck pagani Watlandieae zu finden ist. Weiters wurden die Woten von Papst Alexander III, in einem päpstlichen Erlass an den Bischof von Uppsala, und von Papst Gregor IX, an den Erzbischof von Uppsala und den Bischof von Linköping, erwähnt. Die Woten wurden in schriftlichen Aufzeichnungen ausschließlich in Zusammenhang mit Interessen fremder Mächte in wotischen Gebieten erwähnt. (1) (2) (6)

#Abb. 1 Flagge der Woten

Inhaltsverzeichnis



Geschichte


Obwohl die Daten aus Volkszählungen der Sowjetunion sehr ungenau und nicht verlässlich sind, ist es unschwer zu erkennen, dass die Bevölkerungszahl der Woten rapide und unabdingbar, bereits seit dem Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert, stetig schwindet. (1)

Jahr

Bevölkerung (5)

1848

5 148

1917

~ 1 000

1926

705

1942

~ 400

1947

~ 100

1982

66

1989

62

2002

73

Das Volk der Woten war nie ein sehr personenreiches Volk, trotzdem überlebte es Kriege, Hungersnöte, die Pest und Assimilation (Estnifizierung sowie Russifizierung). Der große Wendepunkt dürfte in der Mitte des 19. Jahrhunderts stattgefunden haben. Es ist bemerkenswert, dass, während die Zahlen der Karelier, Ischoren und Wepsen deutlich anstiegen, sich die Zahl der Woten auf weniger als ein Fünftel verminderte. In den 1980er- Jahren stellte H. H. Bartens fest, dass alle Woten bereits über 60 Jahre alt sind und das Aussterben der Sprache und des Volkes umittelbar bevor stünde. Von 1939 bis 2002 wurden die Woten in keiner Volkszählung erfasst, die Zahlen aus den Jahren dazwischen stammen aus Schätzungen und Zählungen einzelner Forscher. (1) (2) (5)

Die Woten sind das älteste Volk Ingermanlands, das in schriftlichen Aufzeichnungen erwähnt wurde. Sie entstanden im ersten Jahrtausend aus den Nordesten, welche am östlichen Ufer des Flusses Narva und des Sees Peipsi blieben. Sie hielten die Kontakte mit den Völkern Ost- und Nordostestlands aufrecht. Die vergleichsweise kleinen wotischen Stämme bildeten nie einen gemeinsamen Staat oder eine administrative Einheit. Ihre Länder befanden sich in der Nähe großer Handelsstraßen von Ost nach West. Die ältesten archäologischen Funde stammen aus dem 4.--7. Jahrhundert vom Ischorischen Plateau, zwischen den Städten Kingissepp und Gachina. (1) (2)
In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends erreichten ostslawische Stämme die wotischen Gebiete. Die Gründung Nowgorods, ein einflussreicher russischer Staat des Mittelalters, bot eine Stütze für fremde Mächte und forderte Tribute von den Woten. Im Jahr 1069 versuchten die Woten sich von den Tributen zu befreien und attackierten, gemeinsam mit den Truppen des Prinzen von Polazk, Nowgorod und wurden besiegt. Später, als die Macht des Staates Nowgorod größer wurde, wurde auch die Abhängigkeit der Woten von diesem größer. Obwohl die Sprache in Nowgorods Volksversammlung zuerst chud war, wurde später mehr und mehr das Russische propagiert. Im Jahr 1149 beteiligten sich die Woten an einem Feldzug Nowgorods gegen das Volk der Häme in Finnland und eventuell nahmen sie auch an weiteren Feldzügen gegen die Schweden und die Teutonen teil. Ab 1270 waren die Woten und Ischoren fester Bestandteil der Nowgorod-Streitkräfte. (1) (2)
Es gab allerdings auch noch andere fremde Mächte, die Ingermanland für sich beanspruchen wollten. Lange Zeit waren die Russen in einem bewaffneten Konflikt mit den Schweden, welcher erst mit dem Vertrag von Pähkinäsaari, welcher die Territorien beider Mächte festlegte, 1323 beigelegt werden konnte. Im Jahr 1240 gründeten die Deutschen die Festung Kaprio, allerdings konnten sie in Ingermanland nicht wirklich Fuß fassen. Diejenigen, die litten und von den Ambitionen der fremden Mächte überrollt wurden, waren die lokalen Völker. Als Nowgorod 1241 Kaprio einnahm, wurden Woten und Tschuden erhängt, weil sie verdächtigt wurden, mit den Deutschen zusammengearbeitet zu haben. In den 1440er-Jahren deportierte Ritter Heidenreich Vinke von Overberg wotische Kriegsgefangene nach Kurland, wo sie Kreeviš (Russen) genannt wurden. (1) (2)
Schritt für Schritt fanden sich die Woten mit der Vormachtstellung Nowgorods in ihren Gebieten ab. Russisch bahnte sich seinen Weg erst zu den wotischen Adeligen, später zu allen bedeutenden Personen. Die Verbreitung der russischen Sprache hatte begonnen. (1)
Im Jahr 1478 zerstörte das Großfürstentum Moskau Nowgorod. Das eroberte Gebiet wurde in fünf Teile gegliedert, von denen der nördliche Wotisches Fünftel genannt wurde. In den Jahren 1484 und 1488 wurde eine große Zahl an Woten nach Zentralrussland deportiert und stattdessen wurden russische Kolonisten dort angesiedelt. Zur gleichen Zeit wurde der orthodoxe Glaube sehr stark forciert und propagiert. Für die Woten bedeutete das die Akzeptanz der griechisch-orthodoxen Kirche. Trotzdem beklagten die Erzbischöfe von Nowgorod im späten 16. Jahrhundert, dass die Woten unerbittliche Heiden wären. Zur selben Zeit wurden wotische Vornamen durch christliche, russische Vornamen ersetzt.
Im Rahmen des Friedensvertrages von Stolbovo im Jahr 1617 wurde Ingermanland zu Schweden annektiert. Auch die Schweden nutzten die Religion, lutheranischen Glauben, um die neuen Gebiete enger an ihr Land zu binden. Ein Teil der Woten konnte aber über die östliche Grenze nach Russland fliehen. Leere Gebiete wurden mit Bauern aus Südostfinnland bevölkert. (1) (2) (4)
Nach dem Großen Nordischen Krieg 1721 wurde Ingermanland wieder ein Teil Russlands. Als St. Petersburg als neue Hauptstadt gegründet wurde, wurden auch viele Arbeitskräfte benötigt. Dies bedeutete den Zuzug tausender russischer Menschen in die wotischen Gebiete die Verschmelzung vieler Völker in einer russischen Umgebung. Ein Teil Ingermanlands, Jõgõperä, wurde auch als Besitztümer für Günstlinge gewidmet. (1) (2)
Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Woten russische Lieder und Kleidungsstile zu bevorzugen, die Bewegungsfreiheit begünstigte die Verbreitung der russischen Sprache und schulisches und kulturelles Leben erhöhten den Status des Russischen noch zusätzlich. Der maßgeblichste Faktor allerdings war die orthodoxe Kirche, welche die Menschen eines Glaubens vereinte und ihre Lebensweisen und Gewohnheiten beeinflusste. Die Sprache blieb das einzige letzte Bollwerk – bis die Woten sie überwanden. In den 1920er- Jahren war es bereits schwierig einen Woten von einem Russen zu unterscheiden, in den 1930er-Jahren wurde der Punkt erreicht, an dem junge Woten nicht mehr Wotisch sprachen konnten. (1) (2)
Das Sowjet-Regime veränderte das gesamte Leben der Woten. Die fleißigsten Bauern wurden deportiert um andere Bauern zu zwingen ihren Besitz aufzugeben und sich in Kolchosen zusammenzuschließen. Physische Gewalt wurde mit sozialer Ungerechtigkeit (Privilegien für Arbeiter in der Stadt), religiöser und nationalistischer Verfolgung verbunden. Um Proteste zu unterbinden wurden viele Menschen als „Volksfeinde“ deklariert und so konnten Woten beispielsweise deportiert werden, wenn sie sich nicht als Russen eintragen lassen wollten. (1) (2)
Im Zweiten Weltkrieg war Ingermanland ein Kriegsschauplatz. Als sich die Deutschen zurückzogen wurden einige Ostseefinnen, unter ihnen die meisten Woten, als Flüchtlinge nach Finnland gebracht. Nach der Waffenruhe mit Finnland beanspruchten die Sowjets sie für sich. Die russischen Beauftragten versuchten sie zuerst zur Heimkehr zu überreden, zwangen sie später aber mit Gewalt zur Rückkehr in die Sowjetunion. Einige Woten konnten nach Schweden oder Estland fliehen, die Heimkehrer wurden in der gesamten Sowjetunion bis nach Zentralasien verstreut.
Nach Stalins Tod wurden einige Petitionen nach Moskau gesendet und seit 1956 durften einige Woten in ihre alte Heimat zurückkehren. Ihre Häuser wurden längst von Fremden besetzt und bewohnt. Die meisten Russen, die jetzt in den historischen wotischen Siedlungen leben, wissen nicht einmal wer die Woten sind oder wo sie leben. (1) (2) (4)

Geographische Verbreitung


Das historische Watland befand sich im westlichen und nördlichen Ingermanland. Etwa im Jahr 1200 verbreiteten sich die Woten vom Fluss Narva im Westen bis zum Fluss Ischora im Osten und vom Finnischen Meerbusen im Norden zur heute bestehenden Stadt Gdow im Süden. Im Jahr 1848 wurden 37 wotische Siedlungen aufgezeichnet, im Jahr 1942 nur noch 23.
Heute bestehen noch fünf Siedlungen in der Region um die Stadt Kingissepp in der Oblast Leningrad: Kukkusi, Rajo, Jõgõperä, Liivchülä und Luuditsa. Manche der letzen Woten verbringen nur die Sommer in ihren Heimatdörfern und verbringen die Winter in der Stadt. (1)


#Abb. 2 Karte der Verbreitungsgebiete der Woten

Kultur


Durch die historischen Ereignisse ist klar, dass die wotische Kultur stark von der russischen geprägt ist. Der estnische Volkskundler Gustav Ränk, der 1942 die Woten und ihre volkstümliche Kultur erforscht hat, meint wiederum, dass „diese Züge nur das äußere Bild der Kultur prägen“.
Laut Ränk ist die gesamte Terminologie der technischen Ausrüstung volkstümlicher Herkunft. Díe Woten gebrauchen untereinander einheimische Ausdrücke obwohl ihnen die russische Bezeichnung geläufig ist. Volkstracht, Dorflandschaft, Siedlungsform, Bauten, Arbeitsleben und Speisewirtschaft bewahrten, laut Ränk, lange Zeit ihren archaischen Charakter.
Die Woten betrieben primär Ackerbau, Viehzucht und Fischfang. Jagd, Fischfang und Bienenzucht spielten nur eine untergeordnete Rolle. (8)
Handel und Handwerk waren ein essentieller Teil im Leben der Woten. Jedes Dorf hatte einen Schmied und einen Schuster. Der wotische Handwerker versuchte nach Möglichkeit alles selbst herzustellen, weswegen sich das Leben im Kreise der Familie und Dorfgemeinschaft abspielte. Holzgefäße wurden vor allem in Valkovitsa hergestellt, Tonwaren in Mati. Die Woten waren bekannt für ihre Arbeit mit Holz, Birkenrinde, die Herstellung von Birkenholzteer, und dem Brennen von Kohle, Teer und Kalk. Russische Hausierer und reisende Handwerker wurden in wotischen Siedlungen als Gerber, Schneider oder Tischler benötigt. In Städten gab es mehr berufliche Möglichkeiten für die Woten. In Narva oder St. Petersburg konnte ein Gewerbe erlernt, Geschäfte getätigt oder Arbeitssuche betrieben werden. Frauen suchten meist Arbeit als Haus- und Kindermädchen. (1) (8)
Obwohl die Woten über eigene Folklore, materielle Kultur und Bräuche besaßen wurden sie immer stärker von den Ingriern und Russen sprachlich und kulturell beeinflusst und assimiliert.
Volksdichtung war bei den Woten weniger verbreitet, sehr stark vertreten waren dafür Hochzeitslieder.
Alte heidnische Gebräuche wurden auch hin und wieder gefeiert. (5)
Volkstümliche Elemente haben sich im bäuerlichen Leben (Ackerbau und Viehzucht) sowie in der Speisewirtschaft erhalten, wohingegen die Bauweise dem russischen gleicht. (8)
Am 26. April 2005 wurde in St. Petersburg der Wotische Kulturverein (rus. Obsestvo
Wodskoj Kultury) gegründet. Hauptziel dieses Vereins ist die Erhaltung und Erforschung der wotischen Kultur.
Um 1997 wurde im Luzicy ein wotisches Museum erbaut. Durch Brände im Jahr 2002 und 2006 gingen viele Dokumente verloren. (5)

Religion

Um den vollständigen Russifizierungsprozess zu unterstützen, widmete man, in den 1480er Jahren, der Verbreitung des orthodoxen Glaubens große Aufmerksamkeit.
Für die Woten waren Steuern, Verpflichtungen als Vasallen und die Annahme der griechisch-orthodoxen Religion die Folge. (1)
Richtig „bekehrt“ wurden die Woten erst relativ spät da während der Jahrhunderte, in denen die Woten zum Großfürstentum Novgorod gehörten, ihre Geschichte und Kultur den alten, aus der Zeit des Heidentums überlieferten, Mustern folgte. (8).
Im Zuge der Missionarsarbeit wurde 1384 die Jaama (Jamburg)-Kirche und Kloster gegründet.
Nichtsdestotrotz beklagte noch im 16. Jahrhundert (1534) der Erzbischof Makarij von Nowgorod, dass die Woten verhärtete Heiden wären. (1) Um dem entgegen zu wirken wurde der Mönch Ilja ausgesendet um die Woten die an ihre Götter in Wälder, Flüssen, Seen und Quellen beteten und Schlachtopfer brachten zu bekehren. Er führte Massentaufen durch, zerstörte heilige Haine und Heiligtümer und versenkte Opfersteine im Wasser. In einem Sendebrief des Mönches Ilja an den Erzbischof Makarij wird berichtet, dass die Cuden ihre Verstorbenen an heidnischen Begräbnisstätten bestatten lassen und ihre Kinder nicht zur Taufe schicken sondern sie von den eigenen Zauberern (arbuj) taufen lassen.
Der Nachfolger Makarijs Feodosius musste 1548 den Christianisierungsprozess erneut aufnehmen und entsandte den Propen Nikfior als Missionar.
Die heidnischen Gebräuche und Vorstellungen lebten noch lange in der wotischen Volksüberlieferung, doch kann man den Einfluss der orthodoxen Kirche, aufgrund der Auswanderung der autochtonen Bevölkerung während der Herrschaft Schwedens, nicht bestreiten. (8)
Auch der Römische Papst Alexander III. erwähnte Ende des 12. Jahrhunderts die Heiden im Land der Woten. Obwohl sie das russisch-orthodoxe Christentum angenommen hatten, ernannte der Römische Papst im Jahr 1255 einen Bischof für Karelien Watland und Ingermanland. (2) (8)
Für das Großherzogtum vom Moskau war die Christianisierung, also die Sicherung des Landes, ein ernstes Anliegen.
Während dieser Zeit wurden ethnische wotische Namen immer weniger gebraucht. Russische christliche Namen, die durch die orthodoxe Kirche erteilt wurden, wurden statt den wotischen verwendet.
Ab 1617 gehörte das Land der Woten fast ein Jahrhundert lang zu Schweden. Schweden versuchte auch, mittels Religion, die neuen Gebiete fester an das Land zu binden und verbreitete somit das Luthertum. (1)
Wegen der gewaltsamen Bekehrung zum protestantischen Glauben und wegen der hohen Steuerlasten flohen damals viele Woten aus jenen Gebieten nach Russland. (2)
Die ethnische Zusammensetzung Ingermannlands veränderte sich stark. (8)
In die freien Gebiete wurden Bauern aus Südost-Finnland angesiedelt.

Der Unterschied bezüglich der Religion blieb erhalten – Ingrier sind Protestanten, während die Woten orthodox blieben. (1)

Das gewaltsam eingeführte Christentum existierte lange Zeit nur als sogenannte Zweitreligion neben dem heidnischen Volksglauben. Damals waren Faktoren wie Sprache oder ethnische Abstammung weniger wichtig als Glaubensbekenntnisse weswegen sich die Woten immer mehr als Russen fühlten. (8)

Folklore

Die wotische Sprache wurde nie richtig dokumentiert, die Folklore, welche reichlich vorhanden ist, wird jedoch seit dem 19. Jhd. schriftlich festgehalten - A. Ahlquist sammelte Hochzeitslieder und schrieb drei zeitgenössische Märchen, welche die Sprache der damaligen Zeit repräsentierten, nieder. Interessant an diesen Märchen ist, dass sie nicht typisch wotisch geschrieben sind, sondern einige russische Lehnwörter enthalten.
Etwas später wurden Märchen auch von O.A.F. Mustonen niedergeschrieben.
In der zweiten Hälfte des 20. Jhd. stellte Paul Ariste eine Sammlung von volkstümlichen Texten zusammen. (7)
Die meisten traditionellen Feierlichkeiten der Woten sind ähnlich wie die der Russen. Nur ein paar alte Bräuche haben überlebt, wie zum Beispiel Bärenfeste.
Durch die frühe Christianisierung haben nur wenige Elemente der spirituellen Kultur überlebt: die Verehrung von Felsen und Quellen sowie der Kult um heilige Wälder und Pferde. (10)
Heutzutage ist die wotische Folklore fast vergessen – einige erinnern sich noch an Sprichwörter oder Sitten aber die Märchen sind beinahe völlig in Vergessenheit geraten. Im Allgemeinen erzählt man sich nun Lebensgeschichten. (7)

Kleidung und Trachten

1783 beschrieb der deutscher Pfarrer F. L. Trefurt wotische Farmer, die, wie Russen im Winter, Mäntel aus Schafsleder trugen. In den wärmeren Jahreszeiten trugen Männer einen weißen Kaftan aus Leinen, in den etwas kälteren Monaten trugen sie einen aus Wolle. Der wollene Kaftan war traditionell grau, später wurde er auch in braun und blau getragen.
Neben den spärlich vorhandenen Informationen über die traditionelle Kleidung der Krewiener gibt es keine Informationen über die Trachten der wotischen Männer. Es gibt jedoch einen detaillierten Bericht eines ingrischen Studenten der die wotischen Frauentracht Ende des 18. Jhd. beschreibt. Dieser Bericht wird von den Veröffentlichungen von Trefurts ergänzt.
Da die Frauen ihre traditionelle Tracht bis zum Beginn des 19. Jhd. behielten gibt es ein einigermaßen gut rekonstruierbares Bild der wotischen Frauentracht.
Unverheiratete wotische Frauchen trugen bis zur Hochzeit, wo das Haar kurz geschnitten wurde, keine Kopfbedeckung. 1802 beschrieb Porthan wie in einer Zeremonie vor der Hochzeit der Haare vom Bräutigam und der Mutter der Braut mit einem Messer geschnitten werden.
Laut Pfarrer Trefurt wurde das Haar der Braut nach der Hochzeit geschnitten und der Kopf anschließend rasiert. Dies geschah in der Sauna.
Laut A. J. Sjögren trug die wotische Braut ein mit Leinen bedeckten runden Holzrahmen welcher mit hell verzierten Posamenten geschmückt war.
Aus den frühen 19. Jhd. gibt es Aufzeichnungen von einem Kopfschmuck für Mädchen – pääsie, pää’s’e) welcher mit Glasperlen Münzen und Muscheln bedeckt war.
Wotische Frauen trugen als Kopfbedeckung ein langes Leinentuch (paikas, kiikka) welches um den Kopf gewickelt wurde, sodass ein Ende des Tuches auf die Schulter hing.
Ein quadratischer Seidenschal (šolkkarätt) wurde dazu getragen.
Zu zeremoniellen Anlässen wurde dazu noch eine kegelförmige Kopfbedeckung, welche auch mit Perlen und Muscheln verziert wurde, getragen.
Eine andere Art der Kopfbedeckung für Frauen war die sorokka oder harakka, ein besticktes Leinentuch, welche auch unter den Esten, Ingriern und Kareliern getragen wurde.
Wie viele Frauen in Osteuropa trugen auch wotische Frauen bei heißem Wetter ein langes weißes Hemd. Ein kürzeres Hemd (ummikko) wurde vermutlich darüber getragen.
Ein weiteres geschichtliches Kleidungsstück ist ein „Umhangrock“ – ursi. Es wurde aus zwei rechteckigen Stoffstücken zusammen mit einem keilförmigen Leinenstoffstück gefertigt. Das angenähte Leinenstück wurde auf der linken Seite getragen während die rechte Seite offen blieb. Ein ähnliches Kleidungsstück findet man bei den Krewiener. Daraus lässt sich schließen, dass dieser „Umhangrock“ aus dem 15. Jhd. stammt.
Später wurde ein aus dunkelblauen Wollstoff oder dunkelblaue-karierten Stoff gefertigter, bis zu den Achseln reichender Rock „krassikka“ getragen. Das „krassikka“ stammt ursprünglich aus Russland. Außerdem trugen wotische Frauen bestickte Schürzen die zweimal um die Hüften gewickelt wurden.
Das vom Gürtel hängende Kaateri wird von Porthan, als trapezförmiges farbiges Stoffstück welches mit Perlen, Muscheln und Münzen geschmückt war, beschrieben. Auf der Innenseite waren kleine Glöckchen angebracht und am Ende hing eine Wollquaste.(9)
Die Tracht der Krewinen trug einen großen Teill zur Forschung ihrer bei:
Als Forscher Mitte des 19. Jhd begannen sich für die Herkunft der Krewinen zu interessieren war die Sprache fast erloschen. Aufgrund der von der lettischen stark abweichenden Volkstracht (Frauenkleidung) konnten Forscher auf den ostseefinnischen bzw. wotisch-ingermanländischen Ursprung der Krewinen schließen. (8)

Literatur

Die Woten hatten niemals eine geschriebene Sprache, Schulsprache oder Literatur. In den 1930er-Jahren waren die Woten die einzige Minderheit in Nordwestrussland, für die keine Schriftsprache kreiert wurde. Die Bestrebungen des wotischen Intellektuellen Dimitri Tsvetkov waren ebenfalls nicht erfolgreich. (1) (2)

Wotische Grammatiken wurden von A. Ahlquist im Jahr 1856 und von P. Ariste in den Jahren 1948 und 1968 veröffentlicht. Sammlungen wotischer Texte wurden von L. Kettunen, L. Posti, J. Mägiste, O. A. Mustonen, E. Adler und vor allem von P. Ariste gesammelt. Ein Wörterbuch des Kukkusi-Dialektes wurde von L. Posti und S. Suhonen im Jahr 1960 veröffentlicht, der erste Band eines akademischen Wotisch-Wörterbuches wurde 1990 in Tallin veröffentlicht. (1)

Auf Wotisch sind im Jahr 2003 und 2004 zwei Märchenbücher erschienen. Sie sind jeweils auf zwei Sprachen (Wotisch und Russisch) und mit Lateinbuchstaben und Sonderzeichen geschrieben. Das erste Buch enthält zehn Märchen und das zweite Buch enthält vierzehn Märchen aus den Sammlungen von P. Ariste und J. Mägiste. Trotz dieser beiden Bücher muss man sagen, dass eine wotische Literatur im eigentlichen Sinne nicht existiert. (5)

Sprache


Wotisch gehört zum ostseefinnischen Zweig der finno-ugrischen Sprachen und ist am nähesten mit dem Estnischen verwandt. Manche Forscher meinen, dass das Wotische sogar ein Dialekt des Estnischen mit Einflüssen des Ingrischen sein könnte. Es können einige Dialekte unterschieden werden: Westwotisch und Ostwotisch (Hauptdialekte), Kukkusi-Wotisch und Krewinisch. Westwotisch ist hierbei der einzige noch gesprochene Dialekt. Krewinisch wurde in Lettland gesprochen und ist bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgestorben, Ostwotisch starb in den 1960er-Jahren aus und auch die letzten Sprecher des Kukkusi-Wotischen sind bereits gestorben. (1) (2) (5) (6)

Sprachkontakte mit Nachbarvölkern waren möglicherweise Faktoren, die der wotischen Sprache zu überleben halfen. Komplett in der russischen Machtsphäre absorbiert zu sein, hätte kompletten Bilingualismus und in weiterer Folge auch totale Assimilierung der Woten bedeutet. Multilingualismus war trotzdem charakteristisch für die Woten. Sie sprachen nicht nur Wotisch, sondern konnten sich auch in den verwandten Sprachen (Ischorisch, Finnisch, Estnisch) verständigen und verstanden Russisch und teilweise auch Kirchenslawisch. (1)

Obwohl die meisten Vokabel der Sprache aus dem Ostseefinnischen und Russischen stammen, haben sich viele ursprüngliche Vokabel in allen Lebensbereichen erhalten. (1) (3)

Seit 1994 gibt es in St. Petersburg Wotischsprachkurse unter dem Linguisten Muslimov, in Krakole beginnt man an der Mittelschule Wotischkurse abzuhalten, ebenso sind im Internet kleine Wotischkurse zu finden. Die Gesamtsituation ist aber als sehr schlecht zu beschreiben. (5)

Im Jahr 2005 wurde in St. Petersburg der Wotische Kulturverein Obšestvo Wodskoj Kultury gegründet, welcher das Ziel hat, die wotische Kultur zu erhalten und zu erforschen. (5)

Quellen


(1)

The Red Book of the Peoples of the Russian Empire: The Votes: Zugriff am 05.12.2011, URL: http://www.eki.ee/books/redbook/votes.shtml

(2)

Stimme Russlands: Die Woten: Zugriff am 05.12.2011, URL: http://german.ruvr.ru/radio_broadcast/17350884/30428485.html

(3)

Sprachen und Völker der Erde: Ostseefinnen: Zugriff am 05.12.2011, URL: http://www.langwhich.com/lexikon/sprachen-und-voelker-der-erde/ostseefinnen

(4)

SURI: Votes: Zugriff am 05.12.2011, URL: http://www.suri.ee/eup/beyond.html#votes

(5)

Schwarz, C. 2009. Die ostseefinnischen Minderheitssprachen in Russland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Dissertation, Universität Wien.

(6)

Sinor, D. (ed.). 1988. Handbook of Oriental Studies: The Uralic languages: description, history and foreign influences. Leiden: Brill.

(7)

Zugriff am 2.1.2012: URL: http://www.let.rug.nl/fu2011/abstracts.htm#Agranat

(8)

Paulson. I., 1984. Die Woten. Aus der Geschichte eines erloschenen ostseefinnischen Volkes. Finnisch-ugrische Mitteilungen 8. 99 - 107

(9)

Vuorela T., 1964. The finno-ugric Peoples. Niederlande. Mouton & Co.

(10)

Nanovfszky, G. 2004. The finno-ugric world. Budapest. Teleki László Foundation.

Abb. 1

Zugriff am 05.12.2011, URL: http://www.flaggenlexikon.de/fwepsien.htm

Abb. 2

Schönol, V. 2011.

  • No labels