Pentiment ist ein historisches Point-and-Click-Abenteuerspiel von Obsidian Entertainment, veröffentlicht am 15. November 2022 von Xbox Game Studios. Es ist für Nintendo Switch, Windows und Xbox verfügbar. Spieler:innen übernehmen die Rolle des Künstlergesellen Andreas Maler, der in einem Benediktinerkloster in Oberbayern an einem kunstvollen Manuskript arbeitet. Als sich plötzlich eine Reihe von Mordfällen ereignet, gilt es, diese aufzuklären. Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von 25 Jahren, erzählt in drei Akten. Das Spiel bietet eine detailreich ausgestaltete 2D-Optik im Stil mittelalterlicher Illustrationen und wurde in elf Sprachen, darunter Deutsch, Englisch, Spanisch und Koreanisch, übersetzt. Pentiment bezeichnet sich als historisches Spiel, ist aber kein Serious Game mit wissenschaftlichem oder pädagogischem Anspruch.
Pentiment ist in seiner Handlung, Gestaltung und Thematik stark inspiriert von Umberto Ecos Der Name der Rose (Il nome della rosa) (Joshua Sawyer, 2023: 00:03:51-00:04:32). In drei Akten wird die Geschichte eines mittelalterlichen Dorfes und der Anliegenden Abtei erzählt. Der zentrale Handlungsstrang des ersten Aktes handelt von Andreas Maler, einem ehemaligen Studenten und Künstlergesellen, der in einem kleinen Dorf und der anliegenden Abtei an seinem „Meisterwerk“ arbeitet, dann aber in Mordfälle verstrickt wird und diese aufklären will.
Das Spiel ist ein Narrative Adventure Game mit RPG- Elementen. Die Handlung findet im fiktionalen Dorf Tassing und der anliegenden fiktiven Benediktinerabtei Kiersau in Oberbayern statt. Auch wenn diese Orte fiktional sind, wird wiederholt Bezug auf reale Orte wie Nürnberg oder Innsbruck genommen. Das Spiel ist im 16. Jahrhundert angesiedelt: Der erste Akt spielt im Jahre 1513, der zweite in 1525 und der dritte erstreckt sich bis 1543. Die Handlung des Spieles ist fiktiv, aber es werden auch historische Ereignisse (z. B. Thesenanschlag Luthers) erwähnt. Ein zentrales Gameplayelement sind die Dialoge: Der:die Spieler:in kann entscheiden, welche Worte Andreas wählt und somit den Verlauf der Geschichte mitgestalten. Manche dieser Optionen sind für die größere Handlung irrelevant, und verändern nur kurzfristig den Verlauf eines Gesprächs oder tragen zur Charakterisierung des Protagonisten Andreas bei, andere nehmen einen gravierenden Einfluss auf die Geschehnisse und Charaktere. Das Spiel verfügt auch über eine explorative Dimension, die nach Point-and-Click-Prinzip funktioniert. Wird ein Element am Bildschirm ausgewählt, führt dies zu einem Dialog oder einee kurzen Einblick in die Gedanken des Protagonisten. Dieses Gameplay wird vereinzelt durch simple Minigames aufgebrochen. Auch hat das Spiel RPG-Elemente: Im Zuge einiger Dialoge kann man Eigenschaften und Hintergründe von Andreas auswählen, die das Wissen und die Fähigkeiten des Protagonisten und somit die Interaktion mit der Spielwelt beeinflussen. Der Artstyle orientiert sich an mittelalterlichen Illustrationen und neuzeitlichem Holzdruck (Universitätsbibliothek Wien, 2024: 00:12:44-00:14:33). Für das Spiel wurden auch eigens neue Schriftarten entwickelt, die in ihrer Animation realistisches Schreibverhalten imitieren. Welche Schrift für einen Charakter benutzt wird, ist abhängig von der sozialen Stellung und Bildung dieser Person bzw. wie der Protagonist Andreas diese einschätzt. So gibt es zum Beispiel eine Schriftart für „Humanisten“, also gebildete Personen (Universitätsbibliothek Wien, 2024: 00:17:10-00:28:10 ). Das Spiel verfügt über keine Vertonung der Dialoge, wohl aber über Soundeffekte und Hintergrundmusik. Diese ist angelehnt an Musik des Spätmittelalters und wurde von der Gruppe Alchemie vertont. (Universitätsbibliothek Wien, 2024: 00:14:35-00:16:23 ). Das Spiel lässt sich wahlweise mit einem Controller oder mit Maus und Tastatur steuern. Im Spiel kann man über Andreas‘ Notizbuch mehrere Informationen nachschlagen, etwa eine Karte, das Glossar oder eine kurze Beschreibung der Charaktere. Wird in einem Dialog eine handlungsrelevante Entscheidung getroffen, wird dies nach der Auswahl angezeigt. Das Spiel speichert regelmäßig automatisch, wenn man einen Ort verlässt oder ein wichtiges Gespräch beendet.
Es gibt keinen Mehrspielermodus und keine offizielle online-Comunity. Unter r/Pentiment existiert aber eine Reddit-Community, in der das Spiel und die historischen Inhalte besprochen werden. Auch haben mehrere YouTube-Kanäle Videos zum Spiel angefertigt. Als Zielgruppe lassen sich vor allem geschichtsinteressierte Erwachsene vermuten. Das Spiel verfügt über keine Lootboxen oder DLCs. Laut der Webseite Video Games Insights hat das Spiel 3,2 Millionen US Dollar eingenommen.
Der leitende Entwickler Josh Sawyer hat ein Geschichtsstudium abgeschlossen und sich in seiner Studienzeit vor allem auf das Heilige Römische Reich und die frühe Neuzeit fokussiert (Joshua Sawyer, 2023: 00:00:20-00:01:24). Er selbst hatte schon seit seiner Jugend Interesse an historischen Spielen, Pentiment ist das Resultat dieser persönlichen Begeisterung (Universitätsbibliothek Wien, 2024: 00:04:55-00:07:10).
Das Spiel ist inspiriert von Umberto Ecos Der Name der Rose (ital.: Il nome della rosa), in welchem es ebenfalls um Morde in einem Kloster geht. Durch Bezüge wie diesen ist das Spiel auch von Popkulturellen bzw. medialen Darstellungen des Mittelalters beeinflusst (Joshua Sawyer, 2023: 00:03:51-00:04:32). Die Page des Spiels auf der hochrelevanten Videospielplattform Steam behauptet, dass man durch das Spiel das 16. Jahrhundert „erleben“ kann, was einen gewissen Anspruch an Historizität und Authentizität signalisiert. Die offizielle Webseite ist etwas gemäßigter, betont aber durchaus, dass das Spiel historisch sei. Der Director und Lead Writer Josh Sawyer selbst stellt keinen Authentizitätsanspruch. Er beschreibt das Spiel als „historical fiction“, nicht als eine Darstellung historischer Ereignisse. Laut ihm war es die Aufgabe des Teams, einen geschichtlichen Rahmen zu schaffen, in dem eine fiktive Handlung stattfinden kann, für die das Team intensive Recherchearbeit leistete (Joshua Sawyer 2023, 00:12:14-00:16:10). Auch Historiker:innen wurden zu Beratung herangezogen (Universitätsbibliothek Wien, 2024: 00:37:03-00:39:40). Nicht zuletzt deshalb ist das Spiel auch gefüllt mit historischen Inhalten und Referenzen, um der Hadlung folgen zu können ist dennoch kein Vorwissen notwendig, alle nötigen Informationen werden im Dialog erläutert und durch Einträge im spielinternen Glossar ergänzt (Joshua Sawyer, 2023: 00:47:39-00:50:11). Einige historische Referenzen werden wahrscheinlich nur für fachkundige zugänglich sein, zum Beispiel das Narrensschiff oder das Labyrinth (vgl. Lippok, 2024), sie sind aber nicht für das Verständnis der Handlung relevant. Sawyer beschreibt die Handlung und das fiktionale Setting als historisch möglich, aber unwahrscheinlich. Es gibt viele Aspekte in Tassing und Kiersau, die für die damalige Zeit außergewöhnlich gewesen wären (römische Ruinen, Klosterskriptorium im 16. Jahrhundert) (Joshua Sawyer, 2023: 00:35:34-00:38:20) und Sawyer ist auch transparent über die Inhalte, die ahistorisch sind (z. B. das Design einer Windmühle ) (Joshua Sawyer, 2023: 00:21:31-00:22:38). Auch verfügt das Spiel über Minigames, die einen kleinen, aber wirklich sehr reduzierten Einblick in manche der Arbeitsabläufe geben ( z. B. Schmieden, Wolle spinnen) (Obsidian Entertainment, 2022: 00:06:17-00:06:38). Pentiment bietet ein Gegennarrativ zu verbreiteten Mittelaltervorstellungen. Nicht Ritter und Burgen, sondern hauptsächlich ‚einfache Leute‘ (Bauern, Bäcker, Steinmetz) und Geistliche (Mönche, Nonnen) kommen vor. Die Charaktere sind multidimensional, verbalisieren komplexe Wertvorstellungen und erscheinen somit als vollentwickelte Individuen.
Josh Sawyer hat sich in mehreren Videos und Interviews zum Spiel geäußert. Im Gastbeitrag „Painting on Silicon“, den er an der Universität Wien hielt, äußert er sich zur Entwicklung des Spiels. Auf seinen YouTube Kanal hat er ein Video mit dem Titel „Mixing History and Fiction in ‚Pentiment‘“, in dem er Design und Schreibentscheidungen erläutert. Er erklärt das das Pentiment keine Rekonstruktion oder Nacherzählung sei, sondern als „historical fiction“ gedacht ist. Vom Team wurde ein historischer Rahmen geschaffen, der versucht so akkurat wie möglich zu sein. Wie bereits erwähnt, stößt die Handlung oft an historische Grenzen. So ist zum Beispiel das Klosterskriptorium anachronistisch für das 16. Jahrhundert. Dies wurde gelöst, indem die Charaktere im Spiel diese „Besonderheiten“ auch ansprechen (Joshua Sawyer, 2023: 00:35:12-00:38:10). Der Artstyle und die Musik schaffen ein historisches Gefühl, da sie sich an den Trends der dargestellten Epoche orientierten. Die visuelle Gestaltung, welche eine Mischung aus mittelalterlichem Manuskript und neuzeitlichen Holzdruck anmutet, ist repräsentativ für den thematischen Schwerpunkt des „Epochenwechsels”(Universitätsbibliothek Wien, 2024: 00:12:44-00:14:33). Die für das Spiel angefertigten Schriftarten wurden bewusst auf ene Art und Weise gestaltet, die physische Handschrift imitiert. Die Fonts sind inspiriert von historischen Skripten, dadurch soll das Gefühl der Historizität für die Spielenden verstärkt werden. Es gibt sechs verschiedene Schriftarten für unterschiedliche soziale Gruppen (Mönche/Nonnen, Studierte Personen, gebildetes und ungebildetes Volk, Drucker). So ist dieses technische Element verknüpft mit dem inhaltlichen Element der sozialen Ungerechtigkeit, wie es wiederholt in der Handlung vorkommt. Anhand der Schriftart erkennt der:die Spieler:in sofort die soziale Stellung eines Charakters (Universitätsbibliothek Wien, 2024: 00:17:10-00:28:10). Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die Entwickler:innen beträchtliche Mühen auf sich genommen haben, um den Spieler:innen ein möglichst authentisches subjektives Spielgefühl zu bieten - ein Umstand, der besonders bemerkenswert ist, nachdem Pentiment nach Angaben der Entwickler:innen selbst gar keinen Authentizitätsanspruch stellt.
Trotz dieser didaktisch wertvollen Aufarbeitung der Epoche kann das Spiel herausfordernd zu didaktisieren sein, da es ausgesprochen story- und textlastig ist. Das Gameplay ist dialogbasiert und nicht actionreich, wodurch es für ein jüngeres Publikum weniger interessant sein könnte. Auch bauen alle Handlungsstränge auf den vorhergegangenen auf, die Dialoge oder Szenen könnten daher ohne ausreichende Kontextualisierung verwirrend sein.
Diese Didaktisierung beschäftigt sich mit der Gegenüberstellung von Quellen und Darstellungen im Kontext des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (15. Jh.). Sie richtet sich primär an Schüler:innen der ersten Klasse der Oberstufe (Sekundarstufe II), kann jedoch mit entsprechender Anpassung und Unterstützung auch in der Unterstufe eingesetzt werden. Ziel ist es, anhand von Bildquellen zu analysieren, wie im Videospiel Pentiment ein mittelalterliches Kloster dargestellt wird. Dabei werden vor allem die Methoden- und Sachkompetenz gefördert.
In dieser Einheit sollen die Schüler:innen anhand des Videospiels Pentiment lernen, ihre voreingenommenen Vorstellungen zum Thema Mittelalter zu hinterfragen. Dieses Material ist für die 1. Klasse der Sekundarstufe (9. Schulstufe) gedacht. Zuerst fertigen die Schüler:innen eigene Darstellungen an, welche später mit den Inhalten des Spiels verglichen werden.
Eco, Umberto (1980): Il nome della rosa. Mailand.
Universitätsbibliothek Wien (2024): Josh Sawyer – 'Painting on Silicon: Creating the 2022 Historical Video Game Pentiment.' In: YouTube. Online: https://www.youtube.com/watch?v=eeVOHXvGswc (Zugriff: 13.3.2025).
Sawyer, Joshua (2023): Mixing History and Fiction in Pentiment. In: YouTube. Online: https://www.youtube.com/watch?v=mhZcNA16m8A&list=PLjDJWKlPN46dDoXfBciCZ-rJ8Z6Ofc-_G (Zugriff: 13.3.2025).
Obsidian Entertainment (2022): Behind the scenes of pentiment - behind the ink. In: Youtube. Online: https://www.youtube.com/watch?v=AjIfxeNhrj4. (Zugriff: 13.3.2025).
Lippok, Juliane (2024): Pentiment und seine Bilder. In: Hypotheses. Online: https://mittelalter.hypotheses.org/32313 (Zugriff: 13.3.2025).
How long to beat (2025): How long is Pentiment?. Online: https://howlongtobeat.com/game/109237 (Zugriff: 13.3.2025).
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