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Der nördliche, am Weißen Meer gelegene Teil des heutigen Gebiets der karelischen Republik, das bereits seit dem ersten Jhdt. n.C. von ostslawischen Stämmen bevölkert wurde, findet erstmals in skandinavischen Sagen aus dem 8. Jhdt. n.C. Erwähnung, die ebenfalls von einem Volk namens ,Bjarmanen' Bjarmanen‘ erzählen, einem reichen Volk, das vor allem für die herausragende Qualität seiner Pelze bekannt ist.

Der südliche, karelische Landsteil gehörte zwischen dem 9. und dem 12. Jhdt. zu den Besitzungen der Kiewer Rus sowie später zu Nowgorod. Die Karelier selbst werden erstmals, gemeinsam mit benachbarten Ostseefinnen, unter dem Begriff ,Chuden' Chuden‘ in einer russischen Chronik aus dem mittleren 12. Jhdt. genannt. Eine eigene karelische Identität besteht jedoch bereits seit dem 11. Jhdt., als sie im Verbund mit anderen ostseefinnischen Stämmen wichtige Handelswege der Wikinger annektierten.
Zur selben Zeit dehnte sich das karelische Gebiet, etwa durch Inbesitznahme schwedischer Siedlungen, im Westen weiter aus.

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Im Juni 1920 wurde die ,Karelische Gruppe des Arbeitenden Volks' Volks‘ gegründet, in Folge dem östliche Teil Kareliens unter seinem neuen Namen Autonome Föderative Sowjetrepublik Karelien endlich autonomer Status zugesprochen.
Bald darauf erreichte eine Welle finnischer, kommunistischer Immigranten das Land, von ihnen wurden bald vielen hohe Posten im Staatsapparat zugesprochen.
Durch erfolgreiche Propagandaprogramme reimmigrierten viele nach Amerika ausgewanderte Finnen, um sich dann in ihrer ,Idealheimat'Idealheimat‘, der neuen Sowjetrepublik Karelien niederzulassen, viele dieser Idealisten starben später in den Arbeitslagern.

Im Friedensabkommen von Moskau, das dem 1939-40 geführten finnisch-russischen Winterkrieg folgte, wurden die alten, unter Peter dem Großen im Zarenreich geltenden Grenzverläufe wieder in Kraft gesetzt, wodurch Finnland die karelische Region inklusive Wyborg mit Anschluss an den Ladogasee, den Ostteil von Salla sowie die in der Barentsee gelegene Fischerhalbinsel an Russland abtreten musste.
Als Resultat evakuierte Finnland die gesamte Bevölkerung Kareliens, die zur damaligen Zeit etwa 400.000 Menschen umfasste und siedelte sie auf finnischem Gebiet, vor allem im Osten des Landes, neu an.
Das verlassene Gebiet der jetzt nur mehr ,Föderativen Republik Karelien'Karelien‘, die 1940-56 ohne Autonomiestatus existierte, wurde bald von Familien aus verschiedensten Teilen der restlichen Sowjetunion bevölkert.
Im Krieg zwischen 1941-44 besetzten finnische Truppen die zuvor verlorenen Territorien und dehnten die finnischen Gebietsansprüche über Russisch-Karelien bis an den ladogasee aus. Die mittlerweile ansässige, nicht karelische Bevölkerung wurde aus den karelischen Gebieten, in denen durch das finnische Militär Regierung und Verwaltungswesen eingerichtet wurden, ausgesiedelt.
Obwohl die finnischen Truppen zu der Zeit unter massivem, deutschen Druck standen, führten sie weder gegen Leningrad noch die Eisenbahnroute, welche die Stadt mit Murmansk verbindet, Angriffe. Der sowjetische Gegenfeldzug von 1944 stellte die alten Grenzen von 1940 wieder her, durch die kontinuierlichen Auseinandersetzungen lag nach dem 2. Weltkrieg nahezu ganz Karelien in Schutt und Asche. (1) (2) (3)

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Die ersten karelischen Bücher, die das kyrillische Alphabet verwendeten, wurden zu Beginn des 18 Jhdts. gedruckt, als das kulturelle Leben Kareliens einem stark von der finnischen Strömung des nationalen Erwachens geprägten Einfluss unterlag. Die Inhalte des in Finnland in der Mitte des 19. Jhdts. publizierten Kalevala basieren vorwiegend auf in Karelien gesammelter Volksdichtung, auch wurden finnische Intellektuelle dazu ermuntert in Karelien nach den Wurzeln der finnischen Nationalkultur zu suchen, woraus die karelische Romantik, ,Karelianismus'Karelianismus‘, resultierte.

In der pankarelischen Versammlung von 1921 erreichten die Bolschewiken, das nunmehr sowohl Russisch als auch Finnisch in den Schulen unterrichtet werden musste, um möglichst viele finnischsprachige Kommunisten auszubilden, welche ihnen in der, wie sie hofften, zu ihren Gunsten bald ausbrechenden Weltrevolution, von großem Vorteil sein würden.
Zu Beginn der 1930er lebten die meisten karelischsprachigen Personen (etwa 155.000) in Tver-Karelien und nicht in der karelischen Republik, welche im Gegensatz zu Tver-Karelien nur 110.000 Personen zählte. Das Tver-Karelische wurde zur dominierenden Variante und bekam 1931 als erste eine eigene Schriftsprache, welche sich vor allem am lateinischen Alphabet orientierte.
In der Folge wurde die Sprache in den Schulen gelehrt und die ersten Bücher und Zeitungen publiziert. 1937 setzte eine neue Bewegung, deren Ideologie eine gesamtkarelische kyrillische Schriftvariante war, der Verwendung dieser neuen Literatursprache ein jähes Ende.
Zwischen 1938 und 1939, als das Experiment schließlich abgebrochen und das Russische zur einzig gültigen Sprache im Bereich der Printmedien erklärt wurde, wurden eilig Normen für eine neue Hochsprache entwickelt, welche sofort weite Umsetzung in den neu publizierten Schulbüchern, Übersetzungen und Zeitschriften fanden.

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  • Traditionelle Tracht

    -Gewand:
    Die traditionelle Tracht der karelischen Frauen hielt sich, vergleichsweise zu jener der Männer, relativ lang.
    Der zur Tracht gehörende, alltäglich getragene Rock (von den Republikskareliern ,sarafaani' sarafaani‘ bzw. ,krassikka' krassikka‘ von den Ingermanland- und Tverkareliern genannt) weist in seinem Schnitt typisch russische Merkmale auf. Der hohe Bund lag knapp unter der Brust, von dort wurde der Rock mit zwei um die Schulter gelegten, im Rücken gebundenen Gurten über der Bluse oder dem Oberhemd fixiert. Typisch ist auch die stilisierte, gesäumte Knopfleiste auf der Vorderseite des Rocks.

Die Bluse der Oberbekleidung aller karelischen Trachtentypen wurde auf der von der Trägerin aus linken Seite mit einer Spange geschlossen, was ein typisches Charakteristikum russischer und orientalischer Trachtenkultur ist und ist auf der Vorderseite mit einem bestickten, quadratischen Ziertuch (,rekko' rekko‘ #Abb.3) geschmückt.
Unter den Ingrisch-Kareliern war auch eine bestickte, kurze Bluse oder Oberhemd verbreitet, die am Rücken geknöpft wurde und über abnehmbare Ärmel verfügte.
Eine vereinfachte Variante dieser Bluse war unter dem Namen ,piälizhiemat' piälizhiemat‘ auch bei den nördlichen Olonetzen verbreitet.
Sommers und bei besonders warmem Wetter auch in den Übergangsjahreszeiten wurden früher auch nur einfache, gegürtete Oberhemden (,rätsinä'rätsinä‘) getragen.

Alte Bestandteil der traditionellen Tracht, die vermutlich bereits in prähistorischer Zeit verbreitet gewesen sein dürften, sind der karelische ,Schulterrock' Schulterrock‘ (,hartiushame' hartiushame‘ #Abb.4) sowie der um Archangelsk verbreitete ,kosto' kosto‘ #Abb.5, ein ärmelloser Rock mit breiten Schulterbändern und ursprünglich geschlitzten Seiten. Der ,kosto' kosto‘ wurde üblicherweise über zwei bis drei Kleiderschichten sowie mit einer Schürze (,peretn'ikkä'peretn‘ikkä‘) getragen.

Die in Ingermanland lebenden, karelischen Frauen trugen ein um die Hüfte gewickeltes Stück Stoff (,hurstuthame'hurstuthame‘). Der von den Enden gelassene Spalt wurde mit einem weiteren, bis unter die Achseln reichenden Tuch (,aannua'aannua‘) verdeckt, welches mit einem niedrigen Schulterriemen fixiert wurde.

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-Haar und Kopfbedeckungen:
In der karelischen Kultur war das Kopftuch und mit ihm die Tradition des Haarschneidens weit verbreitet, um so länger das Tuch, desto kürzer war das Haar. Obwohl der russische Bischof Makarij 1535 den Frauen verbat, ihr Haar zu schneiden, wurde die Tradition bis zum Aufgabe der Volkskultur von den Kareliern und auch den Ingriern weitergeführt.
Verheiratete Frauen trugen ihr Haar immer in Tücher gebunden, eine Fertigkeit, die oft von professionierten Frauen vermittelt wurde. Die Art, wie das meist weiße Kopftuch gebunden werden durfte unterlag dem sozialen Stand der Frau, ebenso ihrem Wohlstand und der Tradition ihres Kulturkreises.
Mit der Zeit entwickelten sich Variationen in der Tragweise des Kopftuchs. Die estnischen Ingrier, Ostkarelier und Republik-Karelier begannen, das teilweise verzierte, weiße Leinentuch einfach an mit einer Seite um den Kopf zu binden, während die dritte Ecke des Tuchs am Hinterkopf hinunter hing. Später wurde dieser herabhängende Teil auf unterschiedlichste Weise unter die um den Kopf befestigte Seite gebunden.
Aus dieser Kopfbedeckung entwickelte sich schließlich eine einfach geschnittene Haube (,sorokka' sorokka‘ #Abb.6), die auf der Stirn ein besticktes Viereck zeigt und bei der die dritte Ecke des
Tuchs unter dem Haaransatz im Nacken in die beiden verknoteten eingeschlagen wird.

In Ostkarelien trugen die Frauen nach russischem Vorbild unter dem ,sorokka' sorokka‘ ein ,samsuri' samsuri‘ #Abb.7, ein Kissen, das die Haube auf der Stirn hoch halten sollte.

Später wurde in Ostkarelien das ,säpsä' säpsä‘ #Abb.8 populär, eine aus roter Seide gefertigte Kappe mit sehr kleiner Krempe. (6) (7)

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Unter dem Sowjet-Regime waren die hauptsächlich verwendeten Literatursprachen das Russische und Finnische, jedoch anerkannte auch keine der drei Dialektgruppen (Karelier, Olonetzen und Lüden) die künstlich geschaffene pan-karelische Schriftsprache, stattdessen erfuhr das Finnische, welches starke Ähnlichkeit mit dem Nordkarelischen aufweist, als schriftliche Variante verstärkten Gebrauch.
Unter den namhaften, zeitgenössischen Autoren befanden sich die Finnen J.Virtanen und L.Helo sowie die Karelier N.Jakkola, A.Timonen sowieJ.Rugojev und P.Perttu, die seit 1926 auch von der Stiftung der Karelischen Schriftsteller unterstützt wurden.
Der erste karelische Gedichtband, ,Huondes' Huondes‘ (,Der/Ein Morgen'Morgen‘), wurde 1939 von F.Isakov und N.Laine veröffentlicht.
Erst die 1970er brachten Autoren wie etwa B.Brendoev und P.Lukin hervor, die regelmäßig Publikationen veröffentlichten. In der heutigen Literaturszene Kareliens sind vor allem die Literaturzeitschriften Sever (für russische Autoren), Karelia und Kipinä (für Kinder) von großer Bedeutung, da es für die Schriftsteller in den letzten Jahren immer schwieriger wurde, ihre Werke zu veröffentlichen und die Zeitschriften ist das der einzige Weg, ein Publikum zu erreichen.
Die beachtenswertesten Arbeiten der jüngeren Vergangenheit sind wohl die das Schicksal des karelischen Volks im 20. Jhdt. schildernden Romane J.Rugojevs und P.Perttus.

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Gerade die jüngere Generation beherrscht heute kaum noch die Muttersprache ihrer Vorfahren, generell sehen noch etwa 50 Prozent der Karelier einen der karelischen Dialekte als ihre Mutterpsrache an. Umfragen zufolge sprechen ewa 90 Prozent der Kinder unter 10 Jahren heute Russisch als erste Muttersprache.
Auch in Tver-Karelien, wo die Anzahl karelischsprachiger Personen einst sogar jene der Republik überragte, ist heute nurmehr etwa ein Fünftel und vor allem die ältere Generation karelischsprachig.
Statistiken zufolge leben gegenwärtig knapp 95.000 Karelier, von denen 93.000 das Karelische sprechen, in der Russischen Föderation und im Speziellen in der Karelischen Republik, in welcher statt dem volkseigenen Idiom allerdings das Finnische neben dem Russischen als Amtssprache verwendet wird.
In Finnland wurde die traditionell im Ostteil des Landes verbreitete Varietät, welche von etwa 5000 Personen gesprochen wird, erst 2009 als Minderheitensprache anerkannt. (1) (2)

Sprachprobe: http://video.helsinki.fi/Media-arkisto/vainolan_lapset.htmlImage Removed

Quellen

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(1)

Nanovfsky, G. et al. 2004: The Finno-Ugric World. Budapest. Teleki László Foundation.

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eldia Karelisch: Zugriff am 15.11.2011, URL: http://www.eldia-project.org/index.php?option=com_content&view=article&id=88%3Akarelian&catid=50%3Alanguage-descriptions-category&Itemid=64&lang=deImage Removed

(3)

Laakso, J.: Vorlesungsfolien. Universität Wien, SS2011.

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Karelisch: Zugriff am 19.12.2011, URL: http://wwwg.uni-klu.ac.at/eeo/Karelisch.pdfImage Removed

(5)

N.N. 1934: East Carelia: a survey of the country and its populaion, and a review of the Carelian question. Helsinki.

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Remembering the Future: Zugriff am 25.12.2011, URL: http://www.refu.fi/370.htmlImage Removed

(8)

Literature: Zugriff am 19.12.2011, URL: http://web.quipo.it/minola/karelian/literature.htmImage Removed

(9)

Karelian craft: Zugriff am 27.12.2011, URL: http://www.kareliancraft.com/en/crafts/4034/Image Removed

Abb.1

Zugriff am 26.12.2011, URL: http://fi.wikipedia.org/wiki/Tiedosto:Flag_of_Karelia.svgImage Removed

Abb.2

Schönol, V. 2011

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Zugriff am 26.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/LAHDEN+KAUPUNGINMUSEO/LAHDEN+HISTORIALLINEN+MUSEO+LKM/LHM/VHMA/ES/2520/1007?freetextSearch=rekko&itemIndex=6Image Removed

Abb.4.

Zugriff am 26.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU4291%3a6?freetextSearch=hartiushame&itemIndex=2Image Removed

Abb.5.

Zugriff am 24.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU5093%3a3?freetextSearch=kosto&itemIndex=2Image Removed

Abb.6.

Zugriff am 24.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU4291%3a37?freetextSearch=sorokka&itemIndex=30h3Image Removed. Kunst

Abb.7.

Zugriff am 24.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/selaa?freetextSearch=samsuri&action=searchImage Removed

Abb.8.

Zugriff am 26.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU5197%3a?freetextSearch=sImage Removedäpsä&itemIndex=24

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