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Die als veraltet geltende Bezeichnung ,Ischoren‘ wurde verstärkt in der sowjetrussischen Literatur gebraucht und ist heute außer in der ingrischen Eigenbezeichnung 'IžorenIžoren' nicht mehr gebräuchlich.
Die Ingrier selbst nennen sich außerdem ‘Karelier‘ und werden auch von den benachbarten Woten so genannt werden, während Außenstehenden Außenstehende allgemein mit dieser Bezeichnung eher ein eigenes ostseefinnisches Volk, die Bewohner der Karelischen Republik und einer der östlichen Provinzen Finnlands meinen.
Die externe Bezeichnung ,Ingrier‘ in ihren vielen verschiedensprachlichen Entsprechungen leitet sich vom Fluss Ingeri ab oder, wie A. J. Sjögren annahm, von Ingigerth, der Tochter des schwedischen Königs Olaf Skötkonung, welcher der erste christliche König Schwedens war. (1) (2)

#Abb. 1 Flagge der Ingrier

Inhaltsverzeichnis

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Table of Contents

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Geschichte

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Zusammen mit den Woten stellen die Ingrier die indigene Bevölkerung des historischen Ingermanlands dar, welches das Gebiet zwischen dem Ladogasee und dem Narvafluss sowie Landstriche entlang einiger Nebenflüsse des Narva bezeichnet und direkt an das Watland, ein historisch gesehen wotisches Siedlungsgebiet, grenzt.
Der Begriff ,Izhoren‘ bezeichnet die russisch-orthodoxen Izhoren sowie die finnisch-lutherischen Ingrier, zwei sprachlich eng mitteinander miteinander verwandte, ostseefinnische Völker, die zusammen das Ingermanland besiedeln.
Aufgrund der engen Verwandtschaftsverhältnisse des Ingrischen und Karelischen wird heute davon ausgegangen, dass sich die heutigen Ingrier im ersten Jhdt. nC. von einem frühen karelischen Stamm abgespaltet haben, jedoch repräsentiert die heutige ingrische Gemeinschaft einen vielschichtigen Kumulus verschiedenster ostseefinnischer Völker, der auch einigen baltischen Einfluss aufweist.

Zwischen dem 6. und 8. Jhdt. erreichten ostslawische und kreevische Stämme das Gebiet und begannen im 10. Jhdt., in enger werdende Kontakte werdenden Kontakt mit den Finnen zu treten.
Im 12. Jhdt. finden die Ingrier erstmals namentlich in einem Schriftstück Erwähnung, als Papst Alexander III verbat mit den Kareliern, Saami und Woten sowie den heidnischen Bewohnern Ingermanlands Waffenhandel zu treiben.
Durch die Annektierung der Wasserwege vom Ilmensee bis an den Ladoga im 9. Jhdt. gerieten auch die kleinen ostseefinnischen Völker der Region in die Abhängigkeit Nowgorods und trugen zur Etablierung des neuen Fürstentums bei.

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Als Moskau im 15. Jhdt. aufstieg und Nowgorods führende Rolle übernahm, wurden duzende dutzende russische Kolonialisten zu günstigen Bedingungen (Landvergabe, Steuererleichterung etc.) in Ingermanland angesiedelt, wodurch die Bevölkerung mehr an ihre neue Obermacht gebunden und kulturell an die russische Mehrheitsbevölkrung angeglichen werden sollte.
Obwohl zur selben Zeit die Russifizierung vieler ingrischer Familiennamen begann, stellte die indigene Bevölkerung noch immer den Großteil der 70.000 Personen umfassenden Population.
Ab dem 16. Jhdt. wurde eine verstärkte russisch-orthodoxe Missionstätigkeit ausgeübt, die auch in Ingermanland ein weites Netz von kirchlichen Gemeinden mit ihrer Verwaltungstätigkeit mit sich brachte, unzählige Kirchen und Klöstern entstandentstanden.

In den in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. immer wieder entbrennenden, erbitterten Kämpfen zwischen Schweden und Russland wurden weite Teile beider Karelien und Ingermanlands vollkommen zerstört, dennoch blieb Ingermanland vorläufig in russischem Besitz und wurde erst 1617 im Friedensabkommen von Stolbovo Schweden zugesprochen.
In der schwedischen Periode wurde die Region von den Russen rigoros durch strenge Einreisebedingungen isoliert. Die Schweden etablierten ihr Rechtssystem und erwarteten von der Bevölkerung des neuen Landteils auch, den lutherisch Glauben anzunehmen.
Durch die angebliche Aussicht auf Steuererleichterung und staatliche Zuschüsse sowie die Ansiedelung von finnischen Reichsbürgern, die die schwedische Krone repräsentieren sollten, konvertierten schließlich große Bevölkerungsteile.

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Im Zweiten Weltkrieg wurden viele nach Ingermanland emigirierten emigrierten Finnen, Woten und Ingrier nach Finnland evakuiert, die Sowjetunion verlange verlangte jedoch nach Ende des Kriegs ihre Auslieferung und lockte viele mit Versprechungen über verbesserte Lebensqualitäten zurück in ihre Dörfer, um sie dann quer über die Union zerstreut neu anzusiedeln. Erst 1956 erhielten die einstigen Einwohner Ingermanlands die Erlaubnis, in ihre Heimat zurückzukehren. (3) (4)

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Ingrische Volksangehörige leben heute außerdem in Estland und innerhalb Russlands auch in der Oblast Archangelsk, der Teilrepublik Komi sowie in Sibirien. (3) (4)





#Abb. 2 Verbreitungsgebiete der Ingrier

Kultur

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Verbunden mit der Christianisierung nach lutherischem Vorbild kamen die Ingrier auch zu einem gut organisierten Schulsystem, das seit 1643 je eine eigene Schule für alle vier Bezirksstädte (Jaama, Jaanilinna, Kaprio und Pähkinäsaari) unterhielt. Alten Aufzeichnungen zufolge soll jedoch bereits 1632 in Nevanlinna eine erste Schule durch den Freiherrn Johan Skytte eingerichtet worden sein.
Die unter schwedischer Herrschaft eingeführten Sonntagsschulen für Kinder und die für die Konfirmation vorausgesetzten Leseprüfungen wurden nach der russischen Machtübernahme beibehalten.
Obwohl 1785 die erste Volksschule in Kolppana, einem heute nahe der Stadt Gattschina gelegenen Dorf, eröffnet wurde, dauerte es bis zur Entfaltung des kulturellen Lebens der Ingrier noch bis ins 19. Jhdt., als die russische Annexion Finnlands von 1809 sowie die Abschaffung der Leibeigenschaft 1861 die Befreiung der Kleinbauern und wichtige Impulse für generelle, gesellschaftliche Änderungen brachte.
Neue Gesangsvereine und Gesellschaften sowie 1863 eine kirchliche Hochschule in Koppala gegründet, die Lehrpersonal und Küster ausbilden und so den Bildungsstandard des Volks verbessern sollte.
Die erste finnischsprachige, wenn auch nur kurzlebige Zeitung für das Gebiet, ,Pietarin Sanomat‘, wurde ab 1870 herausgegeben, gefolgt von einem ersten, ebenfalls finnischsprachigem finnischsprachigen ingrischen Kalender, dem ,Pietarin suomalainen kalenteri‘, der erstmals 1871 publiziert wurde.
Dieser Periode erster Entwicklungsansätze folgte auch in Ingermanland die Russifizierung der letzten Jahrzehnte des 19. Jhdts., dennoch wurden 1899 die ersten ingrischen Gesangsfeste in Skuoritsa veranstaltet. Neben neuen Bildungsmöglichkeiten verbreiteten die evangelischen Pfarrer auch eine weit greifende nationale Identität unter dem ingrischen Volk. Nach der russischen Revolution von 1905 konnten weitere, von Finnland unterstützte, kulturelle Angebote wahrgenommen werden.

In den 1920ern wurde den Ingriern Unterstützung zur Förderung ihrer Nationalkultur zugesichert. Der volkssprachliche Schulunterricht in 314 Schulen konnte weiterhin geführt werden, während die finnische Sprache allmählich in den Medien, Ämtern und anderen Bereichen des öffentlichen Lebens Verwendung fand.
Zwei Tages- und acht Zeitungen mit anderem Erscheinungszyklus wurden herausgegeben, während das neue Verlagshaus ,Kirja‘ in Leningrad und Petroskoi zwischen 1927 und 1937 768 Bücher, vor Allem allem Lehrbücher und Wörterbücher, jedoch auch Belletristik, publizierte.
Diese Aktivitäten wurden jedoch streng von finnischen Interessen differenziert und wirkten teilweise auch in die Gegenrichtung.
Ab 1937, als der Stalinismus Russland ein neues außen- wie innenpolitisches Gesicht gab, wurden alle bisher finnischsprachigen Schulen russifiziert, die meisten Intellektuellen ermordet und das ingrische Kulturleben so vollkommen ausgelöscht.
In der jüngeren Vergangenheit kommt es zu durch Vereine und Kulturorganisationen unterstützte, gezielte Wiederbelebungsmaßnahmen der ingrischen Kultur. Ein solcher Förderungsverein ist etwa die Organisation Schojkula, welche sich auch politisch engagiert. (1) (4) (5) (6)

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In der ingrischen Glaubenswelt spielten der Tod und mit ihm verbundene Rituale eine große Rolle.
Die Verstorbenen wurden im ,Dorf der Toten‘ beerdigt, in dem sie nach den ingrischen Glaubensvorstellungen wie zu ihren Lebzeiten weiterlebten. Das Grabkreuz und der neben der Ruhestatt gepflanzte Baum wurden mit bestickten Stoffbändern und bunten Tüchern geschmückt und repräsentierten im Umfang ihrer Gestaltung die Anzahl der dem Verstorbenen gedenkenden Angehörigen.
Gedenkfeiern für einen Verstorbenen, an denen diesem Speisen ans Grab gebracht wurden, wurden an zweiten, neunten, zwanzigsten und neunzigsten Tag, sowie ein halbes und ein ganzes Jahr nach dem Tod gehalten.
Um die Gunst der Ahnen, welche sowohl Leid als auch Glück bringen konnten, zu bewahren, wurden am Samstag vor Pfingsten sowie an einem Gedenktag im Herbst Zeremonien im Gedächtnis an diese ausgerichtet.
Im alltäglichen Leben der Ingrier spielten die Vorfahren ebenfalls eine große Rolle. Um ihnen auch im Alltag zu gedenken und um ihr ihre Gewogenheit zu behalten, wurde jeden Tag ein wenig zu Essen und zu Trinken für sie übrig gelassen.

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Die ingrische Tradition ist reich an altem Liedgut, welches um die Wende des 19. zum 20. Jhdt. von Vihtori Alava, Juho Lukkarinen und Samuli Paulaharju gesammelt werden konnte, bevor die unruhigen Zeiten der Revolutionen begannen. Seit dem Beginn des 20.Jhdts. wurde die Kultur der Ingrier immer mehr von der russischen beeinflusst, wodurch die alten Bräuche weiter in Vergessenheit gerieten und von den neu übernommenen verdrängt wurden. (1)

Traditionelle Tracht

Die traditionelle Kleidung ingrischer Frauen ähnelt stark jener der nachbarlichen Woten, mit welchen die Ingrier über lange Zeit hinweg in einer intensiven Kontaktsituation standen.

Frauen und Mädchen verschleierten sich erst ab dem Zeitpunkt ihrer Verheiratung, bis dahin trugen sie ihr Haar lang.
Als einziger Schmuck fanden rote Bänder Gebrauch, mit welchen das Haar hochgebunden wurde.
Im Zuge der Hochzeitsfeierlichkeiten wurde dann ein oft in der Sauna gehaltenes Ritual zelebriert, während welchem der Braut, traditionellerweise von ihrem Bräutigam und unter Assistenz ihrer Mutter, die Haare kurz geschnitten wurden.
Der praktische Nutzen dieser Tradition war, dass das Haar so fortan besser in die Tücher eingebunden werden konnte.
Die übliche Kopfbedeckung einer verheirateten, ingrischen Frau war ein weißes, teilweise besticktes Leinentuch. Eine weitere verbreitete Kopfbedeckung war ,sorokka‘ oder ,harakka‘ (#Abb. 3), ein bunt besticktes Kopftuch aus Leinen, welches auch von den Kareliern und Woten verwendet wurde.

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Das Kleidungsstück mit der längsten Tradition unter den Völkern Ingermanlands ist jedoch ein ,Umhangkleid‘, ein aus zwei Stoffstücken bestehendes Gewand, in das auf einer Seite ein keilförmiger Leineneinsatz eingenäht wurde, dessen sich verjüngende Ecke zum oberen Ende zeigte. Der Einsatz wurde auf der von der Trägerin aus linken Seite getragen, während die andere Seite des Kleides offen blieb. Ein in Zentral-Ingermanland getragener Vorgänger dieses Gewands war ein langes Oberemd Oberhemd und ein auf der rechten Seite offener Rock, über welchem ein ebenfalls mit Schulterriemen und Gürtel befestigter, bis unter die Achseln reichender zweiter Rock getragen wurde, der auf der linken Seite geöffnet war.
Unter den finno-ugrischen Völkern Russlands sind die Ingrier und Woten die einzigen, welche diese Kleidungsart von den Slawen übernahmen.

Später verbreitete sich in Ingermanland der ursprünglich russische, aus dunkelblauem Wollstoff oder blaukariertem Leinen gefertigte ,sarafaani‘ oder ,krassikka‘ (#Abb. 4), ein bis unter die Achseln reichender, auf beiden Seiten geschlossener Rock mit einer stilisierten, gesäumten Knopfleiste auf der Vorderseite.

Ständig getragene Kleidungsstück waren außerdem bestickte Schürzen, viereckige Stoffstücke, die seit jeher zweifach um die Hüfte gewickelt wurden, sowie am Gürtel befestigte Schmucktücher (,kaatteri‘), die mit Perlen, Muscheln sowie kleinen Glöckchen und Münzen geschmückt waren.
Weit verbreitet waren auch ušnikatušnikat, große an den Schläfen getragene Schmuckstücke, die ihren Ursprung in altem, prähistorischem Schmuck hatten. Im 18. Jhdt. werden sie als keilförmige, rote Stoffstücke beschrieben, welche mit weißen Muscheln eingefasst und zwischen der Schläfe und dem Ohr befestigt wurden. Auf die Bänder wurden große, miteinander durch ein weiteres, buntes Band, welches locker im Nacken lag, verbundene Schläfenringe gehängt.
Ein weiteres Schmuckstück war ein mit Korallen und Muscheln besetztes Halsband aus Stoff (rissikko‘), welches in den verschiedensten Formen auch bei anderen finnougrischen und osteuropäischen Völkern verbreitet war. (7)

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Seit dem Ende des 19. Jhdts. stand Ingermanland wieder vermehrt unter russischem Einfluss, was sich auch in Kultur und Sprachentwicklung abzeichnet. Der Anteil ingrischsprachiger Personen an der Gesamtbevölkerung geht immer weiter zurück, von den einst über 70.000 Personen verwenden heute nurmehr nur mehr die wenigsten das Ingrische im Alltag oder geben es an ihre Kinder weiter. Wissenschaftler gehen heute von nunmehr höchstens einigen hundert Ingrischsprechern aus.

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In der Nachkriegszeit war ein Großteil der Bevölkerung bereits großteils russischsprachig und kannte das Ingrische wenn nurmehr nur mehr als seltene Umgangssprache der älteren Generation.

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Olaf Skötkonung: Zugriff am 28.12.2011, URL: http://homepages.rpi.edu/~holmes/Hobbies/Genealogy/ps04/ps04_255.htmImage Removed

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Nanovfsky, G. et al. 2004: The Finno-Ugric World. Budapest. Teleki László Foundation.

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THE INGRIANS OR THE INGRIAN FINNS: Zugriff am 14.12.2011, URL: http://www.eki.ee/books/redbook/ingrians.shtmlImage Removed

(5)

Freiburger Dokumentenserver: Zugriff am 21.12.2011, URL: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6678/Image Removed

(6)

Kolppana, Zugriff am 19.12.2011, URL: http://fi.wikipedia.org/wiki/KolppanaImage Removed

(7)

Vuorela T., 1964. The finno-ugric Peoples. Niederlande. Mouton & Co.

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Ingrisch: Zugriff am 19.12.2011, URL: http://wwwg.uni-klu.ac.at/eeo/Ingrisch.pdfImage Removed

Abb.1

Zugriff am 4.12.2011, URL: http://www.inkerikeskus.fi/kuvat/sivupohjan_kuvat/inkerin_lippu.gifImage Removed

Abb.2

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Schönol, V. 2011

Abb.3

Zugriff am 25.12.2011,URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/POHJOIS-KARJALAN+MUSEO/POHJOIS-KARJALAN+MUSEO+PKM/PKM/LK/ES/982?freetextSearch=harakka&itemIndex=13Image Removed

Abb.4

Zugriff am 25.12.2011,
URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU4291%3a5?freetextSearch=sarafaani&itemIndex=3Image Removed