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Heesen, Jessica, Hrsg.Handbuch Medien- und Informationsethik. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag, 2016. S.41 ff

Die Informations- und Medienethik wird üblicher Weise als eine angewandte Ethik verstanden. Eine solche Klassifizierung setzt dabei ein bestimmtes wissenschaftssystematisches Verständnis voraus: Was angewandte Ethik ist, wovon sich eine angewandte Ethik abgrenzt und was ihr Spezifikum ist, ist nicht von vorne herein klar und bedarf einer Diskussion. Die Klärung der Frage, wie die Informations- und Medienethik als angewandte Ethik verstanden werden kann, betrifft das Selbstverständnis der Informations- und Medienethik in entscheidender Weise. Insofern ist die angewandte Ethik und die wissenschaftliche Diskussion um ihre Methoden, Leistungen und Aufgaben ein bedeutender Kontext der Informations- und Medienethik.

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Für die Informations-, Kommunikations- und Me-
dienethik Medienethik besteht in einigen Hinsichten die besondere
Herausforderung, ihren ethischen Zugriff überhaupt
zu rechtfertigen. Wo sie besondere institutionelle
Kontakte zu sozialwissenschaftlich-empirischen Wis-
senschaften Wissenschaften hält, also etwa zu den Kommunikations-
wissenschaftenKommunikationswissenschaften, da hat sie es nicht immer leicht, ihren
spezifisch ethisch-normativen Zugang deutlich zu
machen (s. Kap. II.4). Natürlich kann man sich der
Moral im Bereich Information, Kommunikation und
Medien auch empirisch nähern. Eine solche empiri-
sche empirische Ethik richtet sich in ihrer deskriptiven (beschrei-
bendenbeschreibenden) Variante auf das tatsächlich vorhandene
Ethos mit dem Ziel einer Darstellung, und in ihrer ex-
planatorischen (erklärenden) Variante auf die Her-
kunft Herkunft und die Funktionen der tatsächlichen Moral mit
dem Ziel einer Erklärung, wozu sie auf eine größere (Handlungs-, Gesellschafts-, ...-)Theorie angewiesen
ist (vgl. Höffe 2007, 19). Diese Art und Weise der Be-
schäftigung Beschäftigung mit dem Bereich der Moral herrscht in den
Sozialwissenschaften, also auch in den Kommunikati-
onswissenschaften Kommunikationswissenschaften vor. Moral wird hier als spezifische
Normativität verstanden und beschrieben oder erklärt
(vgl. Rath 2013). Das eigentliche Geschäft der ange-
wandten angewandten Ethik ist aber mit dem oben beschriebenen
normativen Erkenntnisinteresse beschrieben. Die Ver-
wechselung Verwechselung von Moralempirie (im Bereich Medien)
und Medienethik ist sicher ein Erbe positivistischer
Verengungen der Sozialwissenschaften.

Aber auch für die Ethik gibt es Fallen: Beispielswei-
se Beispielsweise kann man logisch zwingend nicht direkt von Seins-
aussagen Seinsaussagen (»So ist es!«) auf Sollensaussagen (»So soll es
sein!«) schließen. Auch wenn man eine normativ eher
zurückhaltende Ethik vertritt, unterscheiden sich
doch wahr/falsch-Urteile von gut/schlecht-Urteilen,
was aber noch nichts über ihre Verbindung aussagt.
Ebenso bedenklich ist die Falle des Moralismus, nach
der eine Ethik in bloßen Sollensaussagen verbleibt
und meint, alleine durch Begründung und Moralitäts-
tests Moralitätstests Handlungsregeln rechtfertigen zu können. Eine
Ethik hat, wie betont wurde, vielmehr immer auch
den Bezug auf die Erfahrung und die Wirklichkeit nö-
tig nötig (vgl. Höffe 2007, 38 f.).
Die existierenden Entwürfe der Informations- und
Medienethik versuchen auf unterschiedliche Weise,
die methodische und theoretische Problemstellung
der angewandten Ethik anzugehen, auch wenn sie sel-
ten selten Bezug nehmen auf die theoretisch-methodischen
Diskurse der angewandten Ethik. Sie versuchen es mit
einem Fokus auf den Verantwortungsbegriff, der von
sich aus Pflichtethik mit Klugheitsethik verbindet (vgl.
Funiok 2007), durch eine Unterscheidung einer SteueSteuerungs-
rungs- und einer Reflexionsfunktion der Medienethik
(vgl. Debatin 1999) oder durch die Lokalisierung der
Medienethik zwischen der Philosophie und den Kom-
munikationsKommunikations- und Medienwissenschaften (vgl. Rath
2013). Diese Informations- und Medienethiken verste-
hen verstehen sich als normativ arbeitende angewandte Ethiken.
Das Verhältnis dieser Versionen zu eher deskriptiven
(also normativ enthaltsamen) medien- und technik-
philosophischen Entwürfen (vgl. Wiegerling 1998)
oder medientheoretischen Beiträgen (vgl. Leschke
2001) gilt es überhaupt erst noch zu klären.
Die Informations- und Medienethik als angewand-
te Ethik hat sich bereits als eigenständige Bereichs-
ethik etabliert, ist aber weiterhin dabei, ihre eigenen
methodischen und theoretischen Voraussetzungen zu
klären und im Hinblick auf ihre Praxisrelevanz zuüberlegen. Die vielfältigen und mehrdimensionalen
interdisziplinären Bezüge dieser Bereichsethik in der
beschriebenen vertikalen und horizontalen Dimensi-
on, aber auch ihre eigene durch viele beteiligte Diszip-
linen sehr heterogene Gestalt nach innen, stellen da-
für eine Herausforderung dar, die in den nächsten Jah-
ren und im Zuge ihrer fortschreitenden Entwicklung
hin zu einer eigenen Disziplin angegangen werden
müssen. Dieser disziplinäre Diskurs soll nicht die
wünschenswerte plurale Gestalt der Bereichsethik
überwinden, sondern eine Verständigung über ver-
schiedene Ansätze und praktische Vorschläge zum
Ziel haben.