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Enzyklopädische Einleitung
Democracy 4 ist ein politisches Simulationsspiel des britischen Publishers Positech Games, das im Jahr 2020 veröffentlich wurde. Als Teil der seit 2005 bestehenden Democracy-Reihe simuliert es die komplexen Herausforderungen moderner Regierungsführung. Der:die Spieler:in übernimmt die Rolle einer Regierung, und trifft politische Entscheidungen in verschiedensten politischen Bereichen, wie etwa Wirtschaft, Bildung, Umwelt und innere Sicherheit. Das Ziel besteht darin, die Zufriedenheit der Bevölkerung zu sichern um Wahlerfolge zu erzielen. Das Spiel setzt auf ein modellbasiertes Sandbox-System, das dynamische Wechselwirkungen zwischen über 500 politischen Maßnahmen, globalen Ereignissen und diversen Wähler:innengruppen abbildet. Es zeichnet sich vor allem durch die detaillierte Auseinandersetzung mit realen Problemfeldern wie Klimawandel oder Migration sowie durch die Betonung strategischer Kompromissfindung zwischen ideologischen Lagern aus. Durch das offene Design und die komplexen Vernetzungsmechaniken gilt Democracy 4 als anspruchsvolle Simulation demokratischer Entscheidungsprozesse.
Medienleiste für Spielvorstellungen und erstes Kennenlernen
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Allgemeine Spielanalyse
Democracy 4 ist ein Simulationsspiel, in welchem Spieler:innen als Regierungschef:innen ein Land durch politische Entscheidungen manövrieren. Spielbar sind eine Auswahl an realen Nationen, wie etwa Frankreich und Deutschland, die Startbedingungen lassen sich aber auch individuell anpassen um ein selbst gestaltetes, fiktives Land zu simulieren. Grundlegende Spielmechaniken umfassen das Festlegen von Steuern, die Anpassung von Sozialausgaben, die Reaktion auf Ereignisse wie Proteste oder Wirtschaftskrisen sowie das Balancieren von Interessengruppen, wobei der:die Spieler:in anhand von Statistiken und Berichten Rückmeldungen über die Auswirkungen der Maßnahmen erhält. So können etwa Veränderungen in der Gesetzgebung, wie die Lockerung von Waffengesetzen, direkte Folgen auf die Kriminalitätsrate haben, aber auch indirekte Effekte in anderen gesellschaftlichen Bereichen auslösen. Diese Wechselwirkungen machen das Spiel nicht nur zu einer Herausforderung für strategisch affine Spieler:innen, sondern vermitteln auch Bewusstsein für vielschichtige Dynamik und Komplexität realer politischer Prozesse. Um Prozesse von einer solchen Komplexität möglichst wahrheitsgetreu und ideologiefrei darstellen zu können, stützt sich Democracy 4 auf authentische empirische Datensätze: Als quantitative Grundlage des Spiels dienen offizielle Statistiken der britischen Regierung, zur Simulation anderer Länder werden die Startbedingungen dieser Basissimulation angepasst (Harris 2020).
Die ästhetische Gestaltung von Democracy 4 ist funktional und datenzentriert: Grafisch setzt das Spiel auf einen minimalistischen Stil, der die Übersichtlichkeit in den Vordergrund stellt. Klare Symbole, intuitive Icons und eine nüchterne Farbgebung ermöglichen es dem:der Spieler:in, sich auf die Entscheidungsfindung zu konzentrieren, ohne durch aufregende visuelle Effekte abgelenkt zu werden. Verschiedene Politikbereiche, wie etwa Gesundheit oder Umwelt, werden über ein zweidimensionales Dashboard verwaltet. Die Steuerung ist simpel und hochintuitiv. Schieberegler, Dropdown-Menüs und Buttons ermöglichen präzises Eingreifen in die politischen Prozesse. Das Interface ist übersichtlich, aber von einer extrem hohen Informationsdichte geprägt. Wirtschaftsdaten, Demografie und politische Indikatoren werden in Echtzeit aktualisiert. Feedback-Systeme wie Pop-Up-Warnungen oder farbliche Hervorhebungen visualisieren die Folgen von Entscheidungen unmittelbar: Sinkende Werte werden rot hervorgehoben, steigende hingegen grün. Die schlichte visuelle Gestaltung wird durch einen zurückhaltenden, aber durchaus stimmungsvollen Musikmix ergänzt.
Die treue Community rund um Democracy 4 besteht aus einer kleinen, engagierten Nische politikaffiner Spieler:innen, die sich in Foren wie Steam oder Reddit über Strategien, Mods und reale politische Debatten austauschen und sich aktiv an der Diskussion um mögliche Erweiterungen und Verbesserungen des Spiels beteiligen. Die internationale Spieler:innenschaft ist dabei sehr heterogen, tendiert aber zu einem für Videospielcommunities relativ hohen Altersdurchschnitt (30+). Wirtschaftlich gilt Democracy 4 zwar nicht als Mainstream-taugliches, aber kommerziell solide-erfolgreiches Projekt, was sich unter anderem in der Bereitschaft der Entwickler:innen, das Spiel durch Erweiterungen (DLCs) in Berücksichtigung des Feedbacks der Community kontinuierlich zu aktualisieren, bemerkbar macht. Darüber hinaus hat Democracy 4 sowohl in Fachkreisen als auch in der breiten Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erregt. Politikwissenschaftler:innen nutzen es teilweise, um Governance-Prozesse zu veranschaulichen. Von Kritiker:innen wird das Spiel als hochkomplexe Simulation gelobt, andererseits existieren auch negative Perspektiven: Gewisse Aspekte des politischen Prozesses werden vereinfacht dargestellt oder ganz ausgeblendet, außerdem scheint dasSpiel einen neoliberalen Bias aufzuweisen, der Strategien der freien Marktwirtschaft spielintern bevorteilt. Die regen Diskussionen zeigen jedenfalls, wie relevant und vielschichtig die Mechaniken und Themen von Democracy 4 sind. Als Spiel, das politische Prozesse erfahrbar macht, ohne sie allzu sehr zu vereinfachen, bietet es eine einzigartige Perspektive auf die Herausforderungen moderner Regierungsführung.
Fachliche Analyse
Allgemeine fachliche Analyse
Democracy 4 verspricht den Spieler:innen, in die Rolle einer Regierungsleitung zu schlüpfen und einen Staat nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Während zahlreiche reale politische Herausforderungen und Ideologien berücksichtigt werden, bleibt Democracy 4 letztlich ein spielerisches Modell und keine exakte Abbildung der realen Politik (Rappenglück 2023). Um die Spielbarkeit und Verständlichkeit zu gewährleisten, wird die Komplexität politischer Prozesse reduziert. Zum Beispiel sind Ursache-Wirkungs-Beziehungen vereinfacht. Politische Entscheidungen haben in Democracy 4 oft direkte, vorhersehbare Konsequenzen, während in der Realität unzählige Faktoren gleichzeitig wirken und be jeder politischen Entscheidung unerwartete Nebenwirkungen auftreten können. Des Weiteren werden Prozesse rund um demokratische Parteien und damit auch die Notwendigkeit, Koalitionen zu bilden oder parteiinterne Auseinandersetzungen zu managen, weitestgehend ausgeblendet. Während in realen Demokratien Parteien und Fraktionen zentrale Rollen spielen, regieren die Spieler:innen in Democracy 4 de facto allein. Die:der Spieler:in trifft Entscheidungen über Gesetze und Richtlinien direkt per Mausclick, während politische Prozesse in der Realität oft langwierige Debatten, Abstimmungen und Lobbyarbeit erfordern. Schlussendlich sind gesellschaftliche Dynamiken abstrahiert. Die Bevölkerung ist in klar definierte Gruppen wie „Liberale“, „Konservative“ oder „Umweltschützer“ unterteilt, wodurch die Vielschichtigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen vereinfacht wird. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Democracy 4 um den wohl ambitioniertesten Versuch, politische Prozesse möglichst authentisch in Form eines Spiels erfahrbar zu machen. Entscheidend für die Wirksamkeit dieser Symbiose aus Spiel und Simulation ist sowohl die formale als auch die inhaltliche Ausgestaltung (Buddensiek 1995). Durch die Integration spielerischer Elemente entstehen auch Möglichkeiten für den didaktischen Gebrauch.
Politisches Vorwissen ist für den Erfolg in Democracy 4 nicht zwingend notwendig, aber es kann von Vorteil sein. Da das Spiel politische Mechanismen in einer überschaubaren Form darstellt, können auch Spieler:innen ohne tiefgehendes Sachwissen Entscheidungen treffen und durch Trial-and-Error lernen. Gleichzeitig profitieren Spieler:innen mit politischem Vorwissen davon, dass sie Wahrscheinlichkeiten und Zusammenhänge zwischen Maßnahmen und deren Effekten besser einschätzen können. Wer bereits über Kenntnisse über wirtschaftliche oder politische Prozesse verfügt, kann gezieltere Strategien entwickeln und langfristige Auswirkungen besser antizipieren.
Neoliberaler Bias in Democracy 4 - eine kritische Analyse
Democracy 4 präsentiert sich vordergründig als neutrales Politiksimulationsspiel, welches Spieler:innen einen tiefen Einblick in demokratische Prozesse und politische Entscheidungsfindung ermöglichen soll. Doch wie die vorliegende Analyse zeigt, transportiert das Spiel durch seine prozeduralen Rhetoriken, Feedbackschleifen und ökonomischen Modelle systematisch neoliberale Ideologien. Im Kontext der politischen Bildung empfiehlt es sich, diesen Bias offen darzulegen und kritisch zu hinterfragen.
In Democracy 4 wird Demokratie primär als Management ökonomischer Kennzahlen inszeniert. Die regelmechanische Eigenlogik des Spiels in Bezug auf politische Inhalte fördert einen technokratischen Blick auf Demokratie, der komplexe soziale und ökonomische Zusammenhänge stark vereinfacht. Durch die algorithmischen Feedbackschleifen werden bestimmte politische Pfade als realistisch und andere als unrealistisch codiert. Das Spiel reduziert politische Entscheidungsfindung auf quantifizierbare Parameter und blendet qualitative Dimensionen weitgehend aus. Der Erfolg politischer Entscheidungen wird hauptsächlich anhand wirtschaftlicher Indikatoren wie BIP-Wachstum und Haushaltsbilanz gemessen, Sozialausgaben werden primär als Kostenfaktor dargestellt. Democracy 4 suggeriert jedoch durch seine scheinbar objektive Darstellung politischer Prozesse eine dokumentarische Qualität. Bemerkenswert ist hier vor allem, dass bestimmte politische Handlungen im Spiel von Grund auf nicht möglich sind, etwa eine grundlegende Transformation des Wirtschaftssystems oder die Implementierung nicht-marktorientierter Maßnahmen ohne massive negative Konsequenzen. Diese Begrenzung des politischen Möglichkeitsraums transportiert eine ideologische Botschaft: Es gibt keine Alternative zum neoliberalen Modell.
Fachdidaktische Analyse
Durch seinen Neoliberalen Bias trainiert Democracy 4 die Spieler:innen systematisch darin, politische Entscheidungen durch eine marktorientierte Linse zu betrachten. Es erzieht sie zur Verinnerlichung der neoliberalen Rationalität als einzig gangbare politische Logik. Selbst wenn Spieler:innen gegen den Strich spielen und alternative Politikansätze verfolgen, müssen sie dies innerhalb eines Systems tun, das bereits bestimmte Annahmen über Wirtschaft, Gesellschaft und Politik kodifiziert hat. Für die politische Bildung bedeutet dies, dass bei der Verwendung von Democracy 4 auf diesen Bias aufmerksam gemacht werden sollte. Eine reflektierte Verwendung würde bedeuten, das Spiel selbst zum Gegenstand kritischer Analyse zu machen, und Lernende dazu anzuleiten, die durch das Spiel transportierten Annahmen zu analysieren. Etwa könnte man die Spielmechaniken mit alternativen politischen und ökonomischen Modellen kontrastieren und aufzeigen, wie das Spiel durch seine prozeduralen Rhetoriken bestimmte Weltbilder legitimisiert.
[Studentische] Auswertungen: Schüler:innenerfahrungen
Didaktisierungen
Didaktisierung 1: Staatensimulation (Nochmal checken!!!)
Diese Planung richtet sich an eine Oberstufenklasse, die sich mit den Lehrperson der 12. Schulstufe (Maturajahrgang AHS) im Fach Geschichte und Politische Bildung. Inhaltlich steht die Beschäftigung mit Auswirkungen politischer Entscheidungen auseinandersetztim Fokus. Besonders die politische Urteilskompetenz soll durch diese Unterrichtssequenz gefördert werden. Durch ein Rollenspiel wird eine tiefere Immersion ermöglicht, sodass die Schüler:innen politische Prozesse nicht nur theoretisch analysieren, sondern auch praktisch erleben und reflektieren können.
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Didaktisierung 2: Eigene Partei konzipieren
Das vorliegende Material richtet sich an Klassen ab der 8. Schulstufe Sek. I aufwärts. In dieser Unterrichtsplanung wird Democracy 4 genutzt, um die Perspektiven verschiedener politischer Interessensgruppen erfahrbar zu machen und um Verknüpfungen zwischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen genauer aufzuzeigen. Die Unterrichtsplanung ist dahingehend orientiert, dass Schüler:innen eine eigene Partei konzipieren und reflektieren, wie sich die Interessen einzelner Wähler:innengruppen auf die Gesamtgesellschaft auswirken.
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Nachweise:
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Baumann, Birgit (2025): Deutsche Wahlzuckerln für Unternehmen und Familien sind unterschiedlich groß. In: Der Standard. Online unter: https://www.derstandard.at/story/3000000257571/deutsche-wahlzuckerln-fuer-unternehmen-und-familien-sind-unterschiedlich-gross (Zugriff: 20.03.2025).
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung (2016): Überwachungsstaat. In: Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung. Kompakt erklärt. Online unter: https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/ueberwachungsstaat (Zugriff: 20.03.2025).
Buddensiek, Wilfried (1995): Rollen- und Simulationsspiele. In: sowi-online. Online: https://www.sowi-online.de/praxis/methode/rollen_simulationsspiele.html (Zugriff: 16.03.2025).
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Lehrpläne – allgemeinbildende höhere Schulen Anl. 1, tagesaktuelle Fassung. In: Rechtsinformationssystem des Bundes. Bundesrecht konsolidiert. Online unter: https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008568&Artikel=&Paragraf=&Anlage=1&Uebergangsrecht= (Zugriff: 20.03.2025).
Deutsche Budesregierung (2025): CO2-Preis beträgt jetzt 55 Euro. In: Bundesregierung Deutschland. Online unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/co2-preis-kohle-abfallbrennstoffe-2061622 (Zugriff: 20.03.2025).
Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union: EU- Handelsabkommen. In: Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union. Online unter: https://www.consilium.europa.eu/de/policies/trade-agreements/ (Zugriff: 20.03.2025).
Eydlin, Alexander (2025): Donald Trump ruft Notstand an Grenze zu Mexiko aus. In: Zeit Online. Online unter: https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-01/donald-trump-usa-mexiko-notstand-grenze-einwanderung (Zugriff: 20.03.2025).
Fully Illustrated (2020): Cover Artwork for Democracy 4. In: Steam. Online unter: https://shared.cloudflare.steamstatic.com/store_item_assets/steam/apps/1410710/header.jpg?t=1679835311 (Zugriff: 28.03.2025).
Hahn, Alexander/Danzer, Andreas/Pfluger, Bettina (2025): Vier Billionen Dollar weg. Trumps Politik sorgt für Absturz an der Börse. In: Der Standard. Online unter: https://www.derstandard.at/story/3000000260748/vier-billionen-dollar-wertverlust-an-der-us-b246rse (Zugriff: 20.03.2025).
Harris, Cliff (2020): Real World Numbers in Democracy 4. In: Cliffski's Blog. Online unter: https://www.positech.co.uk/cliffsblog/2020/05/23/real-world-numbers-in-democracy-4/ (Zugriff: 20.03.2025).
Oberndorfer, Elisabeth (2023): Sichert das bedingungslose Grundeinkommen unsere Existenz? In: Wiener Zeitung. Online unter: https://www.wienerzeitung.at/a/oekonowie-grundeinkommen (Zugriff: 20.03.2025).
Positech Games (2020): Democracy 4. In: Positech Games. Online unter: https://www.positech.co.uk/democracy4/ (Zugriff 28.03.2025).
Rappenglück, Stefan (2023): Zielsetzung und Methodik. In: Planspiel-Datenbank der Bundeszentrale für politische Bildung Deutschland. Online: https://www.bpb.de/lernen/angebote/planspiele/510588/zielsetzung-und-methodik/ (Zugriff: 16.03.2025).
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