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Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen der Liven in Livland (ein historisches Gebiet im Baltikum) stammen aus dem 11. Jhd. Daten über livische Siedlungen im Norden Kurlands stammen aus dem 14. Jhd.
Fischfang, Landwirtschaft und Seefahrt waren die wichtigsten Bestandteile der traditionellen Kultur der Liven. Da sich ihre Siedlungen an einer wichtigen Handelsstraße – dem Väina Fluss – befanden, war ihre Kultur durch Handel mit Gotland, Kiewer Rus und Finnland hoch entwickelt.
In der zweiten Hälfte des 12. Jhd. kamen mit den Kaufleuten Missionare aus Westeuropa, welche die heidnischen Liven christianisierten. Um die Unterwerfung aller Liven und Esten zu erzielen, wurde ein Ritterorden, der Schwertbrüderorden, welcher größtenteils aus Deutschen bestand, gegründet.Die Liven mussten sich dem deutschen Ritterorden anschließen und wurden bei Kämpfen gegen Estland und Lettland, welche bis 1217 dauerten, als Infanterie eingesetzt.
Während des livischen Kreuzzuges wurde Livland zerstört, Regionen entvölkert und ausgeplündert und die Zahl der Liven deutlich durch Krieg und Pest vermindert. Die nunmehr dünn bewohnten Gebiete der Liven wurden im 13. Jhd. von lettischen Stämmen, vor allem in der Region um den Väina Fluss, besiedelt. Aufgrund dessen wurden die Liven die in Livland im Osten wohnten von denen die auf der Kurlandhalbinsel im Westen lebten, getrennt. Durch die ständige Assimilation der Liven mit den lettischen Stämmen wurde die Zahl der Liven immer kleiner.(1)
Vom 13. bis zum 16. Jhd. weiß man nur wenig über die Liven. Die Chronisten Thomas Hiärne und Paul Einhorn bestätigen, dass im 17. nur sehr wenige Liven zurück geblieben waren. Ein Mitglied der Petersburger Akademie der Wissenschaften, Andreas Johan Sjögren (1794-1855) reiste im Sommer 1852 nach Kurland und zählte 2324 Liven.
Die Forschungstätigkeiten von Lauri Kettunen und dem Folklorist Oskar Loorits (Der Glaube des livischen Volkes I-III, 1926-28, Volkslieder der Liven 1936) trugen maßgeblich zum nationalen Erwachen des livischen Volkes bei. Im Rahmen dieser Bewegung begannen Menschen die das Livische nur passiv beherrschten aktiv auf livisch zu kommunizieren.
1921 bekamen die Liven das Recht auf eine eigene Gemeinde, diese Erlaubnis wurde jedoch durch Ablösung des Innenministeriums widerrufen. Der Grund der Ablehnung war die Vermutung, dass die Liven durch eine Volksabstimmung Antrag auf Vereinigung mit Estland vorhaben könnten.
1923 gelang es den Liven trotz Widerstände der lettischen Regierung ihren eigenen Verein Livod it (Livische Gesellschaft) zu gründen. Diese Gesellschaft unternahm den Versuch Gottesdienste in den Kirchen der Livischen Dörfer auf Livisch halten zu lassen. Bis 1930 verlief der Gottesdienst auf lettisch. Der finnisch finnische Pastor Helle Kalervo Erviö predigte 4 - 5 mal für die Liven, zuerst auf Estnisch, später auch auf livischLivisch.
Die Livische Gesellschaft wollte einen eignen Pfarrer ausbilden lassen. Als der entsprechende Kandidat Edgar Vaalgamaa 1939 mit seinem Studium in Helsinki fertig wurde, war er gezwungen in Helsinki zu bleiben da die Sowjetunion die totale Machtübernahme in Estland, Lettland und Litauen anstrebte. Zum ersten mal konnte er 50 Jahre später,im Jahre 1989 für die Liven in der Heimatkirche in Mazirbe predigen.
Zu dem nationalen Vorhaben gehörte auch der fakultative Livischunterricht und die Gründung eines Sängerchors.
Ein wichtiger Sektor der livischen Kultur war die Wiederbelebung der livischen Schriftsprache. In den Jahren 1926 - 1939 entstanden in Tartu fünf kleine Lesebücher, deren Orthographie dem Estnischen ähnelte. Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der nationalen Entwicklung der Liven war der Bau des livischen Kulturhauses welches 1939 im Dorf Mazirbe eröffnet wurde. In den Dörfern lebten etwa 2000 Liven.
Weniger als ein Jahr später besetzten die sowjetischen Truppen die Gebiete des lettischen Staates. Alle nationalen Organisationen wurden liquidiert, die livische Gesellschaft aufgelöst, das Kulturhaus übernommen, livischsprachige Bücher verboten und vernichtet, der Livischunterricht beendet. Livisch wurde wieder zu einer reinen Umgangssprache. Auch während der deutschen Herrschaft (1941-45) gab es keine Möglichkeit für eine erneute nationale Betätigung. 1945 eroberten sowjetische Truppen die Gebiete der Liven und die Sowjetmacht wurde erneut errichtet. Im Sommer 1948 wurde, unter Leitung des Leiters des Lehrstuhls für finno-ugrische Sprachen an der Universität Tartu, eine Forschungsreise unternommen, in der die Zahl der Liven auf 800 gesetzt wurde. Während des Krieges hatten mehr als die Hälfte des livischen Volkes ihre Heimat verlassen.
Da während der Sowjetzeit das Bewahren und Entwickeln der livischen Kultur und das livischsprachige Sprechen verboten war, verleugneten viele Liven ihre Identität und versuchten Letten zu sein. Bei der Volkszählung galten die Liven automatisch als Letten.
Im Jahr 1970 gelang es das Ensemble der Liven Livlist zu gründen. Hier wurde die Nationalkultur heimlich gepflegt. 44 Jahre standen die Liven unter psychischem Druck der Sowjetmacht und durften sich weder als Liven betrachten noch die livische Kultur entwickeln.
Die livischen Dörfer gehörten zu den strengsten Sperrgebieten in die man nur mit Sondergenehmigung gelangte. Der Meerstrand war mit Stacheldraht abgesperrt, und wurde streng bewacht. In der Küstenregion gab es keine Arbeitsmöglichkeiten mehr da der Fischfang aufgrund der Strandsperrung beendet wurde.Die Liven waren gezwungen Arbeit im Landesinneren unter den Letten zu suchen wodurch sich die Zahl der livischen Sprecher ständig verkleinerte. Der Höhepunkt der Zweisprachigkeit und Assimilation war in den 1970er Jahren.
1988 begann der Zerfall der Sowjetunion und für viele Dörfer bedeutete das Hoffnung auf die Bewahrung ihrer Sprachen. Damals gab es 35-40 Liven. Es wurde der Livische Kulturverein gegründet. Die Liven begannen zusammenzuziehen und den Kindern und Eltern wurde Livischunterricht gegeben. Der livische Kulturverein arbeitete erfolgreich: es wurde Livischunterreicht für Kinder auf Sommerlagern organisiert, einige Ausgaben der Zeitschrift Livil erschienen. Der Livische Kulturverein trat die Rechtsnachfolge der Livischen Gesellschaft an und arbeitet unter ihrem Namen weiter. In der Gesellschaft gab es keine Sprecher des Livischen mehr, die ganze Organisation fand auf Lettisch statt.
Die heutige Lage der Liven und des Livischen ist hoffnungslos. Die letzten Sprecher des Livischen sind die Erforscher des Livischen in Estland, Finnland und Lettland. Für den Schutz der livischen Gebiete wurde die Organisation Livod Randa gegründet. In der lettischen Verfassung wurden die Letten und die Liven als Urvolk der Lettischen Republik festgelegt.(2)

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