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2) Wir haben dann ohne große Mühe akzeptiert, nur im Namen eines nicht näher zu bezeichnenden Risikos, unsere Bewegungsfreiheit in einem Ausmaß einzuschränken, wie es in der Geschichte des Landes noch nie vorgekommen ist, nicht einmal während der beiden Weltkriege (die Ausgangssperre während des Krieges war auf bestimmte Stunden beschränkt). Wir akzeptierten also, nur aufgrund eines nicht näher spezifizierbaren Risikos, unsere Freundschafts- und Liebesbeziehungen auszusetzen, weil unser Nachbar zu einer möglichen Ansteckungsquelle geworden war.
Das angesprochene Risiko ist zu diesem Zeitpunkt allgemein erkennbar. Agambens Warnungen im Februar sind verständlich, im April ist diese Formulierung unverständlich. So wie er von einem rückhaltslosen Opfer angesicht der Möglichkeit einer Krankheit spricht, entwirft er auch hier eine unbalanzierte Gegenüberstellung zwischen einer den Kriegszustand übertreffenden Quarantäne und einem "nicht näher zu bezeichnenden Risiko" ("Abbiamo conseguentemente accettato, soltanto in nome di un rischio che non era possibile precisare").
3) Dies konnte geschehen - und hier berühren wir die Wurzel des Phänomens - weil wir die Einheit unserer vitalen Erfahrung, die immer untrennbar leiblich und geistig zugleich ist, in eine rein biologische Einheit einerseits und ein affektives und kulturelles Leben andererseits aufgespalten haben. Ivan Illich hat aufgezeigt, und David Cayley hat uns hier kürzlich daran erinnert, welche Verantwortung die moderne Medizin für diese Spaltung trägt, die als selbstverständlich angesehen wird und die stattdessen die größte aller Abstraktionen ist. Ich weiß sehr wohl, dass diese Abstraktion von der modernen Wissenschaft durch Wiederbelebungsgeräte erreicht wurde, die einen Körper in einem Zustand rein vegetativen Lebens erhalten können.
"im Namen eines unbestimmten Risikos".
Wenn dieser Zustand jedoch über seine räumlichen und zeitlichen Grenzen hinausgeht, wie es heute versucht wird, und zu einer Art Prinzip des sozialen Verhaltens wird, geraten wir in Widersprüche, aus denen es keinen Ausweg gibt. Ich weiß, dass einige darauf antworten werden, dass es sich um einen begrenzten Zeitraum handelt, nach dem alles wieder in den alten Zustand zurückkehrt. Es ist in der Tat seltsam, dass dies wiederholt werden kann, wenn auch nicht in böser Absicht, da dieselben Behörden, die den Notstand ausgerufen haben, nicht aufhören, uns daran zu erinnern, dass nach Beendigung des Notstands dieselben Richtlinien weiterhin befolgt werden müssen und dass die "soziale Distanzierung", wie sie mit einem bezeichnenden Euphemismus genannt wurde, das neue Prinzip der Organisation der Gesellschaft sein wird. Und auf jeden Fall kann das, was wir in gutem oder schlechtem Glauben auf uns genommen haben, nicht rückgängig gemacht werden.
"dass es sich um einen begrenzten Zeitraum handelt". Die ab 11. März beschlossenen italienischen Maßnahmen gegen die erste Welle wurden am 18. Mai 2020 zurückgenommen. Die folgenden Wellen und die damit verbundenen Vorkehrungen standen im Zeichen des Initialschocks, seiner gesundheitspolitischen Abfederung und des damit (hier trifft Agamben einen wichtigen Punkt) verbundenen Gewöhnungseffekts und der Bürgerproteste.
Seit Ich kann an dieser Stelle, da ich die Verantwortung eines jeden von uns angeführt habe, nicht versäumen, die noch schwerwiegendere Verantwortung derjenigen zu erwähnen, die die Aufgabe gehabt hätten, über die Würde des Menschen zu wachen. Zunächst einmal hat die Kirche, die sich zur Dienerin der Wissenschaft gemacht hat, die nun zur wahren Religion unserer Zeit geworden ist, ihre wichtigsten Grundsätze radikal verworfen. Die Kirche unter einem Papst namens Franziskus hat vergessen, dass Franziskus Leprakranke umarmt hat. Sie hat vergessen, dass eines der Werke der Barmherzigkeit darin besteht, die Kranken zu besuchen. Sie hat vergessen, dass die Märtyrer lehren, dass man bereit sein muss, sein Leben zu opfern und nicht seinen Glauben, und dass der Verzicht auf den Nächsten den Verzicht auf den Glauben bedeutet. Eine weitere Kategorie, die ihren Pflichten nicht nachgekommen ist, ist die der Juristen. Seit langem haben wir uns an den unüberlegten Einsatz von Notstandsdekreten gewöhnt, mit denen die Exekutive faktisch an die Stelle der Legislative tritt und der Grundsatz der Gewaltenteilung, der die Demokratie ausmacht, aufgehoben wird. Aber in diesem Fall sind alle Grenzen überschritten, und man hat den Eindruck, dass die Worte des Ministerpräsidenten und des Leiters des Katastrophenschutzes, wie die des Führers, unmittelbare Gesetzeskraft haben. Und es ist schwer vorstellbar, wie die Freiheitsbeschränkungen, wie angekündigt, aufrechterhalten werden können, wenn die zeitliche Gültigkeit der Notstandsdekrete erschöpft ist. Mit welchen rechtlichen Mitteln? Mit einem permanenten Ausnahmezustand? Es ist die Aufgabe der Juristen, zu überprüfen, ob die Regeln der Verfassung eingehalten werden, aber die Juristen schweigen. Quare silete iuristae in munere vestro?
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pecas, peter hauf: "Quare silete iuristae in munere vestro?" |
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