DIE KARELIER



Der Begriff 'Karelier' bezeichnet ein ostseefinnisches Volk, welches traditionell in der heutigen karelischen Republik und in Ingermanland beheimatet ist. Lange Zeit war die an der Grenze West- zu Osteuropa gelegene Heimat des Volks populärer Zankapfel der Großmächte
und wurde von unzähligen Kriegszügen heimgesucht.

Heute kämpft die Region gegen Industrialisierung und der mit ihr einhergehenden Urbanisierung sowie das langsam fortschreitende Vergessen der alten Traditionen. (1)

#Abb.1 Flagge der Republiks-Karelier

Inhaltsverzeichnis


Geschichte


Die ältesten Funde karelischer Siedlungen lassen sich ins 8. Jtsd. v.C. datieren, ab dem 6. Jtsd. v.C. wurden diese frühen Wohngebiete wechselnd von Eroberern aus dem Süden und dem Osten okkupiert und unterlagen nunmehr auch wechselnden kulturellen Einflüssen, die sich teilweise bis heute in der Kultur des Volks gehalten haben.
Im ersten Jtsd. n.C. lebten die karelischen Volksverbände südlich von ihrer späteren Heimat in der Region um die Seen Onega und Ladoga, bis sie im 12. Jhdt. entlang der Nördlichen Dwina gen Norden zogen und vom Weißen Meer bis ins heutige Finnisch-Karelien niederließen, wobei sie die Siedlungsgebiete der heute in Nordeuropa beheimateten saamischen Stämme nach Westen und Osten verschoben und erstmals mit den Wepsen in eine intensive Kontaktsituation traten.

Der nördliche, am Weißen Meer gelegene Teil des heutigen Gebiets der karelischen Republik, das bereits seit dem ersten Jhdt. n.C. von ostslawischen Stämmen bevölkert wurde, findet erstmals in skandinavischen Sagen aus dem 8. Jhdt. n.C. Erwähnung, die ebenfalls von einem Volk namens ,Bjarmanen‘ erzählen, einem reichen Volk, das vor allem für die herausragende Qualität seiner Pelze bekannt ist.

Der südliche, karelische Landsteil gehörte zwischen dem 9. und dem 12. Jhdt. zu den Besitzungen der Kiewer Rus sowie später zu Nowgorod. Die Karelier selbst werden erstmals, gemeinsam mit benachbarten Ostseefinnen, unter dem Begriff ,Chuden‘ in einer russischen Chronik aus dem mittleren 12. Jhdt. genannt. Eine eigene karelische Identität besteht jedoch bereits seit dem 11. Jhdt., als sie im Verbund mit anderen ostseefinnischen Stämmen wichtige Handelswege der Wikinger annektierten.
Zur selben Zeit dehnte sich das karelische Gebiet, etwa durch Inbesitznahme schwedischer Siedlungen, im Westen weiter aus.

Im 11. und 12. Jhdt. wurde die Missionsaktivität von Seiten der orthodoxen Kirche Nowgorods merkbar stärker, unter Prinz Jaroslav wurden die Karelier schließlich gezwungen, den orthodoxen Glauben anzunehmen.
Ab dem 13. Jhdt. begann Schweden sich vermehrt für seine östlich angrenzenden Gebiete zu interessieren und übernahm in einem Kreuzzug erst seine neue Provinz Finnland, im Anschluss kam es zwischen Nowgorod und Schweden zu heftigen Auseinandersetzungen um die karelischen Territorien, der schwedische Erfolg beschränkte sich jedoch hauptsächlich auf die Küstenlinie um den Finnischen Meerbusen.
Nach einer misslungenen Revolte durch die Karelier annektierte Nowgorod das Gebiet schließlich um 1278.

Nach dreißig Jahren andauernder Kämpfe, in denen die Schweden auch die Festung Wyborg gründeten und nahezu ganz Karelien verwüstet wurde, wurde das Gebiet 1323 im Friedensabkommen von Pähkinäsaari, welches über 250 Jahre lang galt, schließlich in zwei Teile getrennt, das schwedische West- und das Nowgorodsche Ostkarelien, welches noch immer einen Großteil der alten Gebiete umfasste.
Die neue Grenze teilte auch die karelische Kultursphäre und setzte sie seither den unterschiedlichen Einflüssen des Ostens und Westens aus, wobei die Sprache im Ostteil und generell nur von den Bevölkerungsgruppen verwendet wurde, die östlich des Ladogasees siedelten, während die restlichen Stämme eine finnische dialektale Varietät gebrauchte.
Der westliche Teil unter Schwedens Herrschaft entwickelte sich deutlich schneller als das nunmehr russische Karelien, die Schweden begannen ebenfalls die von den Friedensverhandlungen nicht berücksichtigten Weißmeerterritorien im Norden zu besiedeln.
Erneute Grenzkämpfe zwischen den finnischen Savo-Stämmen und den Kareliern führten zum schwedisch-russischen Krieg von 1555-1557, welcher jedoch ohne Resultate endete.
Als es zwischen Schweden und Russland erneut zu Auseinandersetzungen, dem Livischen Krieg kam, der die Gebietsansprüche im Baltikum klären sollte, wurde auch Karelien wieder zum Kriegsschauplatz. Im 1595 folgenden Friedensabkommen von Täysinä (Tavzinsk) sicherte sich Schweden alle finnischsprachigen Gebiete.
Nach einer kurzen Friedensperiode und erneuten Kämpfen, die 1617 im Frieden von Stolbowo resultierten, befanden sich die Region um den Ladogasee, beide Karelien sowie Ingermanland in schwedischer Besitzung.
Durch die folgende, aggressive schwedische Innenpolitik, die neben drastisch erhöhten Steuern auch die Bekehrung zum lutherischen Christentum durchsetzte, sahen sich zwischen 30.000 bis 50.000 Personen gezwungen, ihre alte Heimat aufzugeben und zurück in russische Territorien zu flüchten. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Kareliens siedelte sich neu zwischen Onega- und Ladogasee sowie in der Provinz Tver an, woraus die Gründung Tver-Kareliens resultierte.

Ab dem 18. Jhdt. verlor Schweden zunehmend seine Stellung als Weltmacht und musste große Gebietsverluste hinnehmen, sowohl Altfinnland, das heute ostfinnische Gebiet um die Städte Savonlinna, Hamina und Lappeenranta sowie das heute russische Wyborg, als auch die heftig umkämpften Teile Kareliens mit Wyborg sowie des Ladogasees wanderten während des Großen Nordischen Kriegs 1700-1721 wieder in russische Besitzung.
In der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. kam es zu einer Friedensperiode, die sowohl mit wirtschaftlicher als auch kulturelle Entwicklung einherging und Wyborg zu einem wichtigen Knotenpunkt für Handel und kulturellen Austausch machte.
Die ehemals unter schwedischer Herrschaft gestandene Bevölkerung durfte ihren bisherigen lutherischen Glauben beibehalten, jedoch geriet der finnische Teil durch die Landvergabe des Zaren in Leibeigenschaft.
1808-09 annektierte Russland das gesamte Finnland und erklärte es anschließend zu einem autonomen Großfürstentum. 1812 wurde Altfinnland wieder an Finnland angeschlossen, woraufhin der im Friedensvertrag von Stolbowo ausgehandelte Grenzverlauf erneut in Kraft trat.
Wyborg wurde erneut zum Zentrum Westkareliens und nach der Fertigstellung des Saimaa-Kanals sowie der neuen Eisenbahnroute, die von Lahti bis nach St. Petersburg führte, zusätzlich zu einer wichtigen finnischen Hafenstadt.

Durch die Unabhängigkeitserklärung Finnlands und die Errichtung Sowjet-Russlands wurden Finnisch-Karelien und Russisch-Karelien abermals sowohl politisch als auch ideologisch klar von einander getrennt.
Als Resultat einiger zwischen 1917 und 1922 abgehaltener Volksversammlungen rief das nunmehr russische Karelien seine Unabhängigkeit aus, in der Folge gingen einige karelische Kommunen einen föderativen Bund mit Finnland ein, während andere sich sogar zu einem Teil Finnlands erklärten.
Die folgende Auseinandersetzung zwischen den von finnischer Seite unterstützten Kareliern und den Bolschewiken resultierte 1920 im Friedensabkommen von Tartu, in welchem der bereits in den Verhandlungen von Stolbowo festgelegte Grenzverlauf zwischen Finnland und Sowiet-Russland wiederhergestellt wurde.
Sowjet-Russland versprach ebenfalls, Ostkarelien Autonomiestatus zuzusprechen, diese Bedingung wurde jedoch nicht erfüllt, sodass sich Finnland 1923 an die UN richtete.

Im Juni 1920 wurde die ,Karelische Gruppe des Arbeitenden Volks‘ gegründet, in Folge dem östliche Teil Kareliens unter seinem neuen Namen Autonome Föderative Sowjetrepublik Karelien endlich autonomer Status zugesprochen.
Bald darauf erreichte eine Welle finnischer, kommunistischer Immigranten das Land, von ihnen wurden bald vielen hohe Posten im Staatsapparat zugesprochen.
Durch erfolgreiche Propagandaprogramme reimmigrierten viele nach Amerika ausgewanderte Finnen, um sich dann in ihrer ,Idealheimat‘, der neuen Sowjetrepublik Karelien niederzulassen, viele dieser Idealisten starben später in den Arbeitslagern.

Im Friedensabkommen von Moskau, das dem 1939-40 geführten finnisch-russischen Winterkrieg folgte, wurden die alten, unter Peter dem Großen im Zarenreich geltenden Grenzverläufe wieder in Kraft gesetzt, wodurch Finnland die karelische Region inklusive Wyborg mit Anschluss an den Ladogasee, den Ostteil von Salla sowie die in der Barentsee gelegene Fischerhalbinsel an Russland abtreten musste.
Als Resultat evakuierte Finnland die gesamte Bevölkerung Kareliens, die zur damaligen Zeit etwa 400.000 Menschen umfasste und siedelte sie auf finnischem Gebiet, vor allem im Osten des Landes, neu an.
Das verlassene Gebiet der jetzt nur mehr ,Föderativen Republik Karelien‘, die 1940-56 ohne Autonomiestatus existierte, wurde bald von Familien aus verschiedensten Teilen der restlichen Sowjetunion bevölkert.
Im Krieg zwischen 1941-44 besetzten finnische Truppen die zuvor verlorenen Territorien und dehnten die finnischen Gebietsansprüche über Russisch-Karelien bis an den ladogasee aus. Die mittlerweile ansässige, nicht karelische Bevölkerung wurde aus den karelischen Gebieten, in denen durch das finnische Militär Regierung und Verwaltungswesen eingerichtet wurden, ausgesiedelt.
Obwohl die finnischen Truppen zu der Zeit unter massivem, deutschen Druck standen, führten sie weder gegen Leningrad noch die Eisenbahnroute, welche die Stadt mit Murmansk verbindet, Angriffe. Der sowjetische Gegenfeldzug von 1944 stellte die alten Grenzen von 1940 wieder her, durch die kontinuierlichen Auseinandersetzungen lag nach dem 2. Weltkrieg nahezu ganz Karelien in Schutt und Asche. (1) (2) (3)

Geographische Verbreitung


Der historische Lebensraum der Karelier liegt im Nordwesten Russlands, wo ein Teil der Ethnie in einem Subjekt der Russischen Föderation, der Autonomen Republik Karelien, lebt. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung von 716.000 Personen liegt heute allerdings nur bei rund 9,2 Prozent. Durch Evakuierungsaktionen und Gebietsabtretungen Finnands während und nach dem finnisch-russischen Winterkrieg (1939- 40) verlor nahezu die gesamte ehemalige karelische Bevölkerung ihre Heimat und wurde in Finnland, hauptsächlich in der Region um Kuopio, jedoch allgemein in ganz Finnland wiederangesiedelt.
Die in Finnland lebenden karelischstämmigen Finnen haben ihre Wurzeln vor allem in Viena-Karelien, in der Region Ilomantsi sowie im finnischen Grenz-Karelien der Nachkriegszeit, das seit den Abtretungen durch die Pariser Friedensverträge von 1947 wieder zu Russland zählt und die Gebiete Salmi, Suistamo, Suojärvi sowie auch Teile von Suomussalmi umfasst.

1989 lebten laut russischen Volkszählungen etwa 131.000 Karelier in Russland, jedoch nur circa 60 Prozent von ihnen in ihrem historischen Siedlungsgebiet, das etwa der heutigen Republik Karelien entspricht. 23.000 Volksangehörige wohnen im Gebiet Tver, während weitere 12.000 in der Region um St. Petersburg und Murmansk beheimatet und einige Gruppen bis nach Sibirien emigriert sind.
Im heutigen Finnland, in dem die Karelier traditionell eine Bevölkerungsminderheit darstellen, leben etwa 40.000 bis 50.000 Volksangehörige. (1) (2) (4)



#Abb.2

Kultur


Traditionell lebte das karelische Volk von Brandwirtschaft, sowie der Jagd und Fischerei. Die altertümliche, jahrhundertelang gepflegte Kultur mit ihrer reichen Volksdichtung, die vor allem epische Dichtungen und Klagelieder umfasste, hielt sich im Norden bis ins anfängliche 20. Jhdts.

Die ersten karelischen Bücher, die das kyrillische Alphabet verwendeten, wurden zu Beginn des 18 Jhdts. gedruckt, als das kulturelle Leben Kareliens einem stark von der finnischen Strömung des nationalen Erwachens geprägten Einfluss unterlag. Die Inhalte des in Finnland in der Mitte des 19. Jhdts. publizierten Kalevala basieren vorwiegend auf in Karelien gesammelter Volksdichtung, auch wurden finnische Intellektuelle dazu ermuntert in Karelien nach den Wurzeln der finnischen Nationalkultur zu suchen, woraus die karelische Romantik, ,Karelianismus‘, resultierte.

In der pankarelischen Versammlung von 1921 erreichten die Bolschewiken, das nunmehr sowohl Russisch als auch Finnisch in den Schulen unterrichtet werden musste, um möglichst viele finnischsprachige Kommunisten auszubilden, welche ihnen in der, wie sie hofften, zu ihren Gunsten bald ausbrechenden Weltrevolution, von großem Vorteil sein würden.
Zu Beginn der 1930er lebten die meisten karelischsprachigen Personen (etwa 155.000) in Tver-Karelien und nicht in der karelischen Republik, welche im Gegensatz zu Tver-Karelien nur 110.000 Personen zählte. Das Tver-Karelische wurde zur dominierenden Variante und bekam 1931 als erste eine eigene Schriftsprache, welche sich vor allem am lateinischen Alphabet orientierte.
In der Folge wurde die Sprache in den Schulen gelehrt und die ersten Bücher und Zeitungen publiziert. 1937 setzte eine neue Bewegung, deren Ideologie eine gesamtkarelische kyrillische Schriftvariante war, der Verwendung dieser neuen Literatursprache ein jähes Ende.
Zwischen 1938 und 1939, als das Experiment schließlich abgebrochen und das Russische zur einzig gültigen Sprache im Bereich der Printmedien erklärt wurde, wurden eilig Normen für eine neue Hochsprache entwickelt, welche sofort weite Umsetzung in den neu publizierten Schulbüchern, Übersetzungen und Zeitschriften fanden.

Die sowjetische Assimilationspolitik des beginnenden 20. Jhdts., die sich gezielt gegen die kleinen Völker der Union richtete, und durch die Zwangsentvölkerung karelischer Dörfer und Neuansiedelung in vorwiegend russischsprachigem Umfeld das Volk zur Aufgabe seiner alten Traditionen zwang, neue russischsprachige Siedler und die fortschreitende Industrialisierung hinterließen alle ihre charakteristischen Spuren in der heutigen Bevölkerung und ihrem Land.
Ab der zweiten Hälfte der 1980er und im Zuge der glasnost-Politik unter Michail Gorbatschow stärkten eine Reihe von neuen Reformen die Identität des Volks, die nun wieder verstärkt das lokalpolitische und kulturelle Leben zu beeinflussen begann.

1989 wurde eine erste Karelische Konferenz gehalten, der die Gründung der Karelischen Kulturgesellschaft folgte.
Heute wird Karelisch wieder in Volksschulen und Kindergärten gelehrt, auch im Hochschulbereich, an der Universität von Petrozavodsk und dem Karelischen Department des Lehrerausbildungszentrums, wurde ein Studiengang über die karelische Sprache etabliert. Auch Literatur, Radio- und Fernsehprogramme sind heute wieder auf Karelisch zugänglich. Dennoch wird ein Einhalten der Assimilation auch zukünftig nur durch eine verstärkte Schutzpolitik für Minoritäten und ausreichende finanzielle Mittel möglich sein. (1)

Religion

Die traditionelle Religion der Karelier ist heute nicht mehr vollkommen rekonstruierbar, jedoch sprechen einige deutliche Hinweise dafür, dass es sich um eine stark auf Ahnenkult und die Kultivierung von für diese errichteter Kultstätten konzentrierte Naturreligion handelt, in welcher das Singen von Klageliedern sowie die Ausübung von Gedenkfeiern eine zentrale Rolle spielen. Die verstorbenen Familienmitglieder blieben Teil der Großfamilie und galten als Vorbilder, die für die Einhaltung bestimmter sozialer Normen und Sanktionen bürgten.
Auch Heilkundige und Wahrsager sowie ein Hausgeistkult waren in der Glaubensgemeinschaft von großer Bedeutung.

Um das Jahr 990 belegen einige Aufzeichnungen einen ersten Versuch, die Bewohner des damaligen Reichs Nowgorod, und mit ihm die Bewohner Kareliens, mittels Taufe und Missionierung an den griechisch-orthodoxen Glauben zu binden, wodurch die Kirche im 13. Jhdt. in ihrer politischen Bedeutung mittelfristig aufstieg. In der Endphase des Zarenregimes erlebte sie einen kurzen, erneuten Aufschwung.

Das karelische Volk gilt allgemein als tief religiöses Volk, wobei dies jedoch nur bedingt mit dem christlichen Glauben zusammenhängt, welcher durch eine nur äußerst rudimentäre Verbreitung der christlichen Lehren in karelischer Sprache und im Gegensatz dazu eine exzessive Steuerpolitik sowie Versuche zur Russifizierung der Bevölkerung von Seiten der Kirche üblicherweise eher mit Formalitäten assoziiert wird.
Bis ins 18. und 19. Jhdt. praktizierten die Karelier neben der offiziell vorherrschenden christlichen Religion ihren alten Glauben. Unter den Bolschewiken wurde schließlich versucht, jeglichen religiösen Einfluss auszulöschen. Klöster und Kirchen wurden geplündert und geschlossen, während das einst größte, von Alexander Syväri gegründete Konvent in Aunus zu den größten und grausamsten Gefängnisanstalten der UdSSR zählte. (3) (5)

Folklore


  • Liedgut, Gedichte und Erzählungen

    Karelische Volkslieder weisen große Ähnlichkeit mit finnischen auf, weshalb sie in der Wissenschaft oft gemeinsam behandelt werden.
  • Traditionelle Tracht

    -Gewand:
    Die traditionelle Tracht der karelischen Frauen hielt sich, vergleichsweise zu jener der Männer, relativ lang.
    Der zur Tracht gehörende, alltäglich getragene Rock (von den Republikskareliern ,sarafaani‘ bzw. ,krassikka‘ von den Ingermanland- und Tverkareliern genannt) weist in seinem Schnitt typisch russische Merkmale auf. Der hohe Bund lag knapp unter der Brust, von dort wurde der Rock mit zwei um die Schulter gelegten, im Rücken gebundenen Gurten über der Bluse oder dem Oberhemd fixiert. Typisch ist auch die stilisierte, gesäumte Knopfleiste auf der Vorderseite des Rocks.

Die Bluse der Oberbekleidung aller karelischen Trachtentypen wurde auf der von der Trägerin aus linken Seite mit einer Spange geschlossen, was ein typisches Charakteristikum russischer und orientalischer Trachtenkultur ist und ist auf der Vorderseite mit einem bestickten, quadratischen Ziertuch (,rekko‘ #Abb.3) geschmückt.
Unter den Ingrisch-Kareliern war auch eine bestickte, kurze Bluse oder Oberhemd verbreitet, die am Rücken geknöpft wurde und über abnehmbare Ärmel verfügte.
Eine vereinfachte Variante dieser Bluse war unter dem Namen ,piälizhiemat‘ auch bei den nördlichen Olonetzen verbreitet.
Sommers und bei besonders warmem Wetter auch in den Übergangsjahreszeiten wurden früher auch nur einfache, gegürtete Oberhemden (,rätsinä‘) getragen.

Alte Bestandteil der traditionellen Tracht, die vermutlich bereits in prähistorischer Zeit verbreitet gewesen sein dürften, sind der karelische ,Schulterrock‘ (,hartiushame‘ #Abb.4) sowie der um Archangelsk verbreitete ,kosto‘ #Abb.5, ein ärmelloser Rock mit breiten Schulterbändern und ursprünglich geschlitzten Seiten. Der ,kosto‘ wurde üblicherweise über zwei bis drei Kleiderschichten sowie mit einer Schürze (,peretn‘ikkä‘) getragen.

Die in Ingermanland lebenden, karelischen Frauen trugen ein um die Hüfte gewickeltes Stück Stoff (,hurstuthame‘). Der von den Enden gelassene Spalt wurde mit einem weiteren, bis unter die Achseln reichenden Tuch (,aannua‘) verdeckt, welches mit einem niedrigen Schulterriemen fixiert wurde.

Die losen Kleider wurden mit einem gewobenen, wollenen Gürtel zusammengehalten, der eine Frau ihr Leben lang begleitete.

Später wurde die karelische Tracht durch breite, bunte Seidenschals vervollständigt, welche durch die Ausgestaltung ihrer Ränder Stand und Wohlstand ihrer Trägerin verrieten. Oft wurden bis zu drei dieser Tücher gleichzeitig getragen.

-Haar und Kopfbedeckungen:
In der karelischen Kultur war das Kopftuch und mit ihm die Tradition des Haarschneidens weit verbreitet, um so länger das Tuch, desto kürzer war das Haar. Obwohl der russische Bischof Makarij 1535 den Frauen verbat, ihr Haar zu schneiden, wurde die Tradition bis zum Aufgabe der Volkskultur von den Kareliern und auch den Ingriern weitergeführt.
Verheiratete Frauen trugen ihr Haar immer in Tücher gebunden, eine Fertigkeit, die oft von professionierten Frauen vermittelt wurde. Die Art, wie das meist weiße Kopftuch gebunden werden durfte unterlag dem sozialen Stand der Frau, ebenso ihrem Wohlstand und der Tradition ihres Kulturkreises.
Mit der Zeit entwickelten sich Variationen in der Tragweise des Kopftuchs. Die estnischen Ingrier, Ostkarelier und Republik-Karelier begannen, das teilweise verzierte, weiße Leinentuch einfach an mit einer Seite um den Kopf zu binden, während die dritte Ecke des Tuchs am Hinterkopf hinunter hing. Später wurde dieser herabhängende Teil auf unterschiedlichste Weise unter die um den Kopf befestigte Seite gebunden.
Aus dieser Kopfbedeckung entwickelte sich schließlich eine einfach geschnittene Haube (,sorokka‘ #Abb.6), die auf der Stirn ein besticktes Viereck zeigt und bei der die dritte Ecke des
Tuchs unter dem Haaransatz im Nacken in die beiden verknoteten eingeschlagen wird.

In Ostkarelien trugen die Frauen nach russischem Vorbild unter dem ,sorokka‘ ein ,samsuri‘ #Abb.7, ein Kissen, das die Haube auf der Stirn hoch halten sollte.

Später wurde in Ostkarelien das ,säpsä‘ #Abb.8 populär, eine aus roter Seide gefertigte Kappe mit sehr kleiner Krempe. (6) (7)

Literatur


Das früheste karelische Sprachdenkmal, welches gleichzeitig generell den zweitältesten Beleg einer finno-ugrischen Sprache darstellt, ist eine Birkenschrift aus dem 13. Jhdt., die 1957 in Nowgorod entdeckt wurde. Der Text ist mit kyrillischen Buchstaben geschrieben und enthält eine heidnische Zauberformel gegen Blitzeinschläge.
#Abb.9

Erste karelischsprachige Werke wurden im frühen 19. Jhdt. publiziert; ihnen folgte in den 1930ern die Etablierung einer für Karelien und die Tverregion gültige karelischen Schriftsprache auf Basis des lateinischen Alphabets, welche zu Ende der 1930er durch eine sich am kyrillischen Alphabet orientierenden Variante verdrängt wurde.

Zwar wurde die Idee einer geeinten Schriftsprache für die karelischen Varianten des Nordkarelischen, Olonetzischen und Lüdischen, durch ihre geringe Popularität bald verworfen, jedoch erfolgten in den letzten Jahren einige Bemühungen um die Weißmeer-, Olonetz- und Tverdialekte zu verschriftlichen. Obwohl bereits einige Schulbücher und andere Lehrmaterialien veröffentlicht wurden, ist es fraglich, ob diese Maßnahmen noch den Verfall der karelischen Sprachen aufzuhalten vermögen, zumal die Sprache weder in der Karelischen Republik noch den Tvergebieten offiziellen Status genießt. Durch die Unterstützungsmaßnahmen der finnischen Regierung scheint es eher, als würde sich das Finnische zur Alltagssprache der Karelier entwickeln.

Unter dem Sowjet-Regime waren die hauptsächlich verwendeten Literatursprachen das Russische und Finnische, jedoch anerkannte auch keine der drei Dialektgruppen (Karelier, Olonetzen und Lüden) die künstlich geschaffene pan-karelische Schriftsprache, stattdessen erfuhr das Finnische, welches starke Ähnlichkeit mit dem Nordkarelischen aufweist, als schriftliche Variante verstärkten Gebrauch.
Unter den namhaften, zeitgenössischen Autoren befanden sich die Finnen J.Virtanen und L.Helo sowie die Karelier N.Jakkola, A.Timonen sowieJ.Rugojev und P.Perttu, die seit 1926 auch von der Stiftung der Karelischen Schriftsteller unterstützt wurden.
Der erste karelische Gedichtband, ,Huondes‘ (,Der/Ein Morgen‘), wurde 1939 von F.Isakov und N.Laine veröffentlicht.
Erst die 1970er brachten Autoren wie etwa B.Brendoev und P.Lukin hervor, die regelmäßig Publikationen veröffentlichten. In der heutigen Literaturszene Kareliens sind vor allem die Literaturzeitschriften Sever (für russische Autoren), Karelia und Kipinä (für Kinder) von großer Bedeutung, da es für die Schriftsteller in den letzten Jahren immer schwieriger wurde, ihre Werke zu veröffentlichen und die Zeitschriften ist das der einzige Weg, ein Publikum zu erreichen.
Die beachtenswertesten Arbeiten der jüngeren Vergangenheit sind wohl die das Schicksal des karelischen Volks im 20. Jhdt. schildernden Romane J.Rugojevs und P.Perttus.

Der 11. Karelische Schriftstellerkongress von 1994 versuchte, die gegenwärtige Situation der Bevölkerung und auch im Ausland zu verdeutlichen. Die Literaturzeitschriften, welche die nahezu einzige Möglichkeit für karelische Autoren darstellen, ihre Werke zu veröffentlichen, erhalten keinerlei staatliche Subventionierung. Das Fehlen von professioneller, hochqualitativer Literatur, die höhere Standards erhalten könnte, am Büchermarkt bewirkt einen vermehrt zum Konsum von minderqualitativen Erzeugnissen, wodurch sich der Ruf der karelischen Gegenwartsliteratur im Allgemeinen verschlechtert. (1) (3) (8)

Kunst


Ein wichtiges Kunsthandwerk in Karelien war das Sticken, dessen typisches Charakteristikum regelmäßige geometrische Muster sowie die Verwendung von nur einer Farbe war. Gewebte Stickereien wurden meist mit rotem Garn auf weißem oder hellgrauen Grund und Hohlsaumstickerei mit weißem auf weißem Stoff gefertigt. Einzig in der Region um Pudozh wurde außerdem von gelben und blauen Fäden Gebrauch gemacht, diese Gegend war auch die einzige, in welcher eine Kombinationstechnik aus einem Kettenstich und gemustertem Garn verwendet wurde. Traditionellerweise wurde vor allem mit dem Doppelten Vorstich sowie dem Kreuzstich gearbeitet, während in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. ein Kettenstich um Zaonezhe populär wurde.

Klassische Muster waren meist regelmäßig geometrisch mit verschiedenen Rhombenformen sowie abgeschrägten und geraden Kreuzen, Dreiecken und Quadraten, auf denen die größeren Muster basieren.
In der älteren Stickerei finden hingegen überwiegend bildhafte Motive wie Pflanzen, Vögel, Tiere und Menschen Verwendung, die in ihrer Umsetzung durch die Gestaltung mit geometrischen Figuren stilisiert wurden.
Die vor allem in Südkarelien verbreiteten Pflanzenmotive wie Gräser, Blumen, Bäume und auch der mythologische Baum des Lebens werden oft mit Vögeln, Pferden und Menschen abgebildet.
Das verbreitetste Motiv ist das eines Vogels, welches in nahezu jeder Arbeit Verwendung findet. (9)

Sprache


Die karelische Sprache gehört zum ostseefinnischen Zweig der Uralischen Sprachen und lässt sich in drei bis fünf Hauptgruppen aufspalten. Neben dem Nordkarelischen, dem 'eigentlichen Karelisch', das eng mit dem Weißmeerkarelischen (auch Viena) und dem Südkarelischen (einschl. des Tver-Dialekts) verwandt ist, gehören auch das Olonetzische sowie das Lüdische, das sich von den übrigen Dialekten des Zweigs so entfernt hat, dass es teilweise als eigene Sprache gesehen wird, dessen Randdialekte gegenseitig nicht verständlich sind.
Neben dem oben beschriebenen Dialektkontinuum zählt nordwestlich von Moskau auch eine Sprachinsel nahe der Stadt Tver zur karelischen Dialektgruppe.

Im Verlauf des 20. Jhdt. wurden die Karelier durch Russifizierungsmaßnahmen in ihrer eigenen Heimat mehr und mehr zur Minderheit. Diese Tabelle zeigt den Rückgang der karelischsprachigen Bevölkerung in der Karelischen Republik in Prozent:

Jahr

in Karelien

Anteil an Ges.bev. in Prozent

1897

 

42,3

1926

100.781

38,2

1939

108.600

23,2

1959

85.500

13,1

1970

84.200

11,8

1979

82.140

11,1

1989

78.928

10,0

2002

65.651

9,2

Gerade die jüngere Generation beherrscht heute kaum noch die Muttersprache ihrer Vorfahren, generell sehen noch etwa 50 Prozent der Karelier einen der karelischen Dialekte als ihre Mutterpsrache an. Umfragen zufolge sprechen ewa 90 Prozent der Kinder unter 10 Jahren heute Russisch als erste Muttersprache.
Auch in Tver-Karelien, wo die Anzahl karelischsprachiger Personen einst sogar jene der Republik überragte, ist heute nurmehr etwa ein Fünftel und vor allem die ältere Generation karelischsprachig.
Statistiken zufolge leben gegenwärtig knapp 95.000 Karelier, von denen 93.000 das Karelische sprechen, in der Russischen Föderation und im Speziellen in der Karelischen Republik, in welcher statt dem volkseigenen Idiom allerdings das Finnische neben dem Russischen als Amtssprache verwendet wird.
In Finnland wurde die traditionell im Ostteil des Landes verbreitete Varietät, welche von etwa 5000 Personen gesprochen wird, erst 2009 als Minderheitensprache anerkannt. (1) (2)

Sprachprobe: http://video.helsinki.fi/Media-arkisto/vainolan_lapset.html

Quellen


(1)

Nanovfsky, G. et al. 2004: The Finno-Ugric World. Budapest. Teleki László Foundation.

(2)

eldia Karelisch: Zugriff am 15.11.2011, URL: http://www.eldia-project.org/index.php?option=com_content&view=article&id=88%3Akarelian&catid=50%3Alanguage-descriptions-category&Itemid=64&lang=de

(3)

Laakso, J.: Vorlesungsfolien. Universität Wien, SS2011.

(4)

Karelisch: Zugriff am 19.12.2011, URL: http://wwwg.uni-klu.ac.at/eeo/Karelisch.pdf

(5)

N.N. 1934: East Carelia: a survey of the country and its populaion, and a review of the Carelian question. Helsinki.

(6)

Vuorela T., 1964. The finno-ugric Peoples. Niederlande. Mouton & Co.

(7)

Remembering the Future: Zugriff am 25.12.2011, URL: http://www.refu.fi/370.html

(8)

Literature: Zugriff am 19.12.2011, URL: http://web.quipo.it/minola/karelian/literature.htm

(9)

Karelian craft: Zugriff am 27.12.2011, URL: http://www.kareliancraft.com/en/crafts/4034/

Abb.1

Zugriff am 26.12.2011, URL: http://fi.wikipedia.org/wiki/Tiedosto:Flag_of_Karelia.svg

Abb.2

Schönol, V. 2011

Abb.3.

Zugriff am 26.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/LAHDEN+KAUPUNGINMUSEO/LAHDEN+HISTORIALLINEN+MUSEO+LKM/LHM/VHMA/ES/2520/1007?freetextSearch=rekko&itemIndex=6

Abb.4.

Zugriff am 26.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU4291%3a6?freetextSearch=hartiushame&itemIndex=2

Abb.5.

Zugriff am 24.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU5093%3a3?freetextSearch=kosto&itemIndex=2

Abb.6.

Zugriff am 24.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU4291%3a37?freetextSearch=sorokka&itemIndex=30h3. Kunst

Abb.7.

Zugriff am 24.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/selaa?freetextSearch=samsuri&action=search

Abb.8.

Zugriff am 26.12.2011, URL: http://suomenmuseotonline.fi/fi/kohde/Suomen+kansallismuseo/SU5197%3a?freetextSearch=säpsä&itemIndex=24

Abb.9.

Laakso, J.: Vorlesungsfolien. Universität Wien, SS2011.

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